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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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Homberger, Otto: Gedanken
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Eschweiler, Karl: Der nationale Gedanke als reale Vernunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0188

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Schließlich kann doch anch Fanst nicht ohne Gnade und Liebe selig werden.

Bei den Maraini neulich ein Anzahl Grabsteine und Sarkophage gesehen, welche
aus den bei Dia Salara aufgedeckten Grabkammern der Familie Lieinii Crassi
herruhren. Jn einem der Sarkophage rourde die Asche eineö Mitgliedes dieses
großen Geschlechtes gefunden. Als Signor Maraini einige Tage später den Aufseher
der Ausgrabungen nach dieser Afche fragte, erwiderte dieser: „O Herr, ich wußte
nicht, daß Jhr darauf Wert legtet. Die Afche war so fchön weiß, und so brachte
ich fie meiner Frau, die gerade Wäfche hatte, um dcwon Lauge zu machen."

Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, aber es ist auch
dafür gesorgt, daß die Bäume gen Himmel wachsen.

Man verlacht den Aberglauben der andern und befragt für sich selbst die Auguren.

Der Pantheismus wäre wahr, wenn es kein Gut und Böse gäbe. Das Böse macht
Gott unbegreiflich und beweist ihn.

Die Weisheit begreift nicht den persönlichen Gott, das Herz kann nicht den unpev-
sönlichen brauchen.

Der nationale Gebanke als reale Vernunft

Von Carl Eschweiler

Dorbemerkung der Schriftleitung: Die nachfolgenden Ausführungen ftammen
von einem katholifchen Theologen. Wir verösfentlichen sie, da sie uns am genaueften und
posiüvften das Problem von diesem Standort aus zu fassen fcheinen. Es ift beabsichtigt,
in einem der nächften Hefte die proteftantifche Ansicht zu Worte kommen zu lassen.

I.

emerzeik liebte man es, bei möglichen und unmöglichen Gelegercheiten

^^ ausznrufen: m. w., das sollte heißen: machenwir! Diese Inter-
jektionsmanier kennzeichnet die seelische Verfassung unserer Generation,
auch wenn sie nicht mehr so häufig begegnet wie noch vor ein paar Iahren.
Es ist zu hoffen, daß die deutsche Iugend den Sinn dieser Formel um so
intensiver lebt, je enger der Spielraum unserer wirtschaftlichen und politi-
schen Existenz geworden ist. Darum ist es aber auch ein besonderes Gebot
unseres Tages geworden, sich auf die prinzipiellen Wirklichkeiten zu besinnen,
die das M achen-Können sowohl des Ich wie des Wir begrenzen. Denn
wo das prinzipiell als gegeben Anzuerkennende mit dem von uns Machbaren
verwechselt wird, da führt das schrankenlose „Machen wir!" unweigerlich
von der real vernnnftigen Praris hinweg in das Reich der Phantasie und
Illusior;. Im Lande Utopia kann man allerdings alles Beliebige machen,
z. B. „wirklich" atonale Musik und „wirklich" klassenlose Gesellschafk. Wie
groß auch die Rolle sein mag, welche die Lltopien in den liberalistischen und
sozialistischen Parteiprogrammen gespielt haben und noch spielen, sie sind
in keinem Falle die Ursache einer realen Vervollkommmmg der politischen
Verhältnisse geworden. Phantasiegebilde sind ihrem Wesen nach unfähig,
das konkrete Ziel einer politischen Aktion abzugeben; das praktische Llrteil
ist notwendig die — wahre oder falsche — Erkenntnis der jeweiligen und
bestimmt gegebenen Situation. Wenn und soweit der Liberalismns und So-
zialismus die Welt verbessert haben, so ist das nicht wegen, sondern Lroh
ihrer sogenannten „Ideale" geschehen, nämlich darum, weil in den Köpfen

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