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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 12 (Septemberheft 1932)
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Briccius, W. A.: Unbequeme Zahlen zur Arbeitslosigkeit
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0905

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der Konsumgütermdustrien und die Belebung des Binnenmarktes ab. So führte
die Teilrationalisierung der Produktlvgüterindustrien durch die kaufkraftpolitische
LohnMelle zur volkswirtschaftlichen Fehlinvestition, da die kostensenkende und absatz-
steigernde Wirkung der Rationalisierung tvieder aufgehoben tvurde. Aber auch
die binnenmarktpolitischen Ansätze blieben fruchtlos, wekl die Nominallohnsteige-
rungen sich in Kosten- und Preiserhöhungen der Konsumgüter erschöpften, während
die Steigerung der Produktivität nach exportpolitischen Grundsätzen orientiert war,
so daß eine Steigerung der Realkaufkraft unterblieb. Die Folgen sind auf der
einen Seite Kapitalverlust, Schuldenmehrung und erhöhte Zinsbelastung, auf der
anderen Seite EinkommenS- und Kaufkraftverlagerungen und eine Arbeitslosigkeit
größten Umfangs. W. A. Briccius

Umschau

Zur deutschen Außenpolitik

i.

ie Lausanner und Genfer Konferen-
zen, die das Tribut-, das AbrüstungS-
und das österreichische Problem zu be-
handeln hatten, haben einen Abschnitt
deutscher Außenpolitik beendet, der mit der
Kanzlerschaft Brünings begonnen hatte.
Jn der Tatsache, daß nicht Brüning,
sondern eine neue Regierung diese Pe-
riode zum Ende führte, liegt eine erste
Erklärung dafür, daß beide Konferenzen
mit einer schweren Enttäuschung abschlos-
sen. Auch dieses Mal fielen, wie fast
regelmäßig in der Nachkriegszeit, außen-
und innenpolitische HochspannungSzeiten
zusammen, und wieder drängte die Jn-
nenpolitik die äußeren Fragen zurück,
obwohl die inneren Spannungen gerade
durch die äußeren erzeugt worden sind.
Herr von Papen reiste nach Lausanne
mit dem Gefühl größter Ünsicherheit.
Er ließ ein Volk zurück, das nur dafür
Augen hatte, wie der innere Kampf
um die M acht auögehen würde. Eine
Regierung, die auf dem Waagebalken
zwischen Hitler und Braun-Brüning ba-
lancierte, und deren unsicheres Leben nicht
durch Stürme vom Lausanner und Gen-
fer See her gefährdet werden durfte.
Wie der Kanzler, fo die Parteien, die
Presse und alle Faktoren der politischen
Willens- und Meinungsbildung in der
Heimat. Wir mußten mit Erbitterung
feststellen, daß keine Partei, von rechts
bis links, Zeit, Disziplin und Format ge-
nug hatte, um den Tribut- und Rü-
stungskampf gegen außen mitzuschlagen.
Außenpolitik existierte für sie nicht mehr.
Man hatte oft das Gefühl, daß es keine

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Partei, keine Zeitung, keine Gruppe
mehr gab, die außenpolitisch hundert-
prozentig zuverlässig gewesen wäre. Die
Linke und die Mitte kritisierten Papen
aus Ressentiment und Haß. Die Rechte
tanzte um den heißen Brei herum, mußte
vertuschen, beschönigen, Entgleisungen
decken, Sand in die Augen streuen. Das
Ergebnis: Rückzug der Deutschen auf
allen Fronten.

2.

Wer Papens politische Herkunft und
Heimat kannte, wußte, daß der Augen-
blick kommen würde, wo er umfallen
würde. Beziehungen zu Arnold Rechberg,
der jahrelange Aufenthalt in einem Kreis,
wo die deutsch-französische Verständigung
mittels einer Militärallianz und einer
großkapitalistischen Verfilzung als die
einzig mögliche Politik propagiert und
in die Köpfe politischer junger Leute
gehämmert wird, seine verwandtschaft-
lichen, konfessionellen und geistigen
Verbindungen mit dem Westen mußten
ihn dazu verführen, den Turm des
Brüningschen Neins zu verlassen und
sich fahrlässig und neugierig ins Vorge-
lände einer direkten deutsch-
französischen Verständigung
zu begeben, aus dem er natürlich geschla-
gen zurückkehrte. Er hatte vergessen, daß
jeder ernsthafte deutsche Versuch, sich
direkt mit Paris zu arrangieren, sofort
die Jtaliener und Engländer auf die
französische Seite treiben mußte. Da sie
aber den Frcmzosen immer mehr zu
bieten haben als wir, müssen wir immer
die Betrogenen sein. Herr von Papen
aber träumte wohl, als er den Zug nach
Lausanne bestieg, von der Chance seineS
 
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