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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 6 (Märzheft 1932)
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Borchardt, Hermann: Russisches Tagebuch, [2]
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0460

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Waffen gegen Versailles grerfen müssen und können. Man verftehe in Ruß-
land nrcht, warum wir rmmer wi'eder nachgäben und uns nicht lieber der
Weltrevolution anschlössen. Was ihn LroH seiner kühnen weltpolitischen
Ausflüge dennoch vom Kannegießern einigermaßen fernhält: das ist die Ein-
stellung auf eine ganz bestimmte politische Richtung. Es ist ein zwar grober,
aber sehr zielbewußter Drill fühlbar, der diesen vom Bauern herkommenden
einfachen Techniker sichtbar in Reih und Glied stellt. Freilich kann bei so aus-
gebreitetem und vielseitigem ^nteresse die Frage auftauchen: wie diese von
unten Aufsteigenden noch ihre berufliche Weiterbildung bewältigen? Welcher
Kontrast zu der kühlen problemlosen, politisch neutralen Sachlichkeit seines
amerikanischen Lehrers und Chefs!

Es werden denn auch ganz erstaunliche Geschichten von dreiundzwanzigjährigen,
zwar gesinnungstüchtigen, aber jeder Praris baren Agronomen erzählt, denen
die gewaltigsten Aufgaben anvertraut werden. (Schluß folgt)

Umschau

Else Avenarius ch

nfang Febrnar starb Else Avenarius,
die Witwe des Begründers unserer
ZeitschrifL. Ein nnbestechlicher Blick für
Echtes und Großes, besonders der Dich-
tung, hat sie befähigt, die Helferin ihres
Mannes und Mitarbeiterin an seinem
Lebenswerke zu sein. Alle Frsunde des
danialigen Dresdener Kreises haben ihre
stille, immer auf die Sache bedachte Tä-
tigkeit zu schätzen gewußt, und es ist viel-
leicht der schönste Ruhm der seltenen,
norddeutsch herben Frau, daß ohne sie der
Kunstwart nicht geworden wäre, was er
vielen Besten bedeutet hat.

Literaten und Soldaten

i.

er die Japaner und ihre innerste
Natur kennt, wußte, daß es bei der
völligen Unterwerfung der Mandschurei
nicht bleiben, sondern daß sie die Gele-
genheit, da die Welt auS den Fugen ist,
benützen würden, auch im alten China
vollendete und günstige Tatsachen zu
schasfen. Es ist auch nicht Zufall, daß sie
ihren zweiten Vorstoß bei Schanghai an»
setzten, denn das Fangtsetal ist eine alte
historische und geopolitische Bruchstelle
Chinas. Hier könnte mit Aussicht auf Er-
folg die Zerschlagung des ReicheS Vev-
fucht und daS ethnographisch und geopoli-
tisch anders geartete Nordchina von Süd-
china getrennt werden. Sieht man in-

dessen von den äußeren, impecialistischen
und brutalen Formen dieser Auseinan-
dersetzung ab und fragt man, wie es mög-
lich ist, daß hier ein Volk von -jgo Mil-
lionen rassegleicher Menschen, ein unge°
heueres Land, dem an klmfang und Eiu-
wohnerzahl kein anderes gleichkommt, von
einem andern Bolk von nur 6H Millio-
nen spielend zu Paaren getrieben wer-
den kann, so kann man, etwas zugespitzt,
sagen: hier wird ein im Grunde staatloses
Volk von einem echten und reinen
Staatsvolk, das Land der Literaten vom
Land der Soldaten überwältigt. blnd fer-
ner: hier sind wir Zeuge eines erzwunge-
nen Anpassungsprozesses zweier Völker
an geänderte Lebensbedlngungen, und in
diesen Auseinandersetzungen vollzieht sich
die Umbildung und Erziehung Chinas
zum Staat, der Gehirn, Arm und Waffe
des rein vegetativ lebenden Volkstums ist,
wenn es vor die Auseinandersetzung mit
anderen Volkstümern und echten Staaten
gestellt wird. Gleichzeitig vollzieht sich
hier der blmwandlungSprozeß zweier asia-
tischer Organismen im Zusammentresfen
mit Kapitalismus, Fndustrialisierung, Zi-
vilisation, Technik und sozialer Organisa-
tion Europas. Hinter dem, was wir als
Recht und Unrecht, Gewalt und Abwehr
erleben, wirken ewige Anpassungsgesetze.

2.

Es ist merkwürdig, wie verschieden sich
die beiden Völker bei so viel Ahnlichkeit
 
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