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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 6 (Märzheft 1932)
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Johann Wolfgang Goethe: Bedeutung des Individuellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0411

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I. W. Goethe: Oorfbrand

Johann Wolfgang Goethe

Bedeutung des Individuellen

Das Individuum geht verloren, das Andenken desselben verschwindet, und
doch ist ihm und andern daran gelegen, daß es erhalten werde.

Ieder ist selbst nnr ein Individuum und kann sich auch eigentlich nur fürs
Individuelle interessieren. Das Llllgemeine findet sich von selbst, dringt sich
aus, erhält sich, vermehrt sich. Wir benutzens, aber wir lieben es nicht.

Wir lieben nur das Individuelle, daher die große Freude an Vorträgen,
Bekenntnissen, Memoiren, Briefen und Anekdoten abgeschiedener, selbsi unbe-
deutender Menschen.

Die Frage, ob einer seine eigene Biographie schreiben dürse, isi höchsi unge-
schickt. Ich halte den, der es tnt, für den höslichsien aller Menschen.

Wenn sich einer nur mitteilt, so isi es ganz einerlei, aus was sür Motiven
er es Lut.

Es isi gar nicht nötig, daß einer untadelhast sei oder das Vortrefslichsie und
Tadellosesie tue; sondern nur, daß etwas geschehe, was dem anderen nutzen
oder ihn sreuen kann.

Man hat es Lavatern nicht gut aufgenommen, daß er sich so ost malen, zeich-
nen und in Knpser siechen ließ und sein Bild überall herumsireute. Aber
sreut man sich nicht jetzt, da die Form dieses außerordentlichen Wesens zer-
siört isi, bei so mannigsaltigen, zn verschiedener Zeit gearbeiteten Nmchbildun-
gen, im Durchschnitt gewiß zu wissen, wie er ausgesehen hat?

Dem seltsamen Aretin hat man es als ein halb Berbrechen angerechnet, daß

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