Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1932)
DOI Artikel:
Linfert, Carl: Französische Kunst in London, [2]: aus Anlaß der großen Ausstellung in der Königlichen Akademie
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Unbequeme Zahlen zur Arbeitslosigkeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0901

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
historischen Rückblick möchte man jetzt bisweilen glauben, daß das französische Ver-
halten schon vor Jahrhunderten bereit schien, nnr bis zu dieser Grenze zu denken,
an der wir heute stehen. Carl Linfert

Unbequeme Zahlen zur ArbeitslosigkeiL

ZsH'an möge es sich doch nicht verhehlen, daß kein andereS Gebiet so schwierig zu
L^beherrschen ist, wie das der Volkswirtschaft, da nur wenige Wissenschaften
so vielseitige Kenntnisse in den verschiedensten Zweigen und den Produktions-, Kon-
sumtions- und Kapitalsverhältnissen eines LandeS erheischen. Mit welcher Leicht-
fertigkeit — das Wort ist nicht zu stark — wird heute über derartige Gegenstande
der Stab gebrochen! Wie drängen sich von allen Seiten Personen heran, die, kaum
in ihrem eigenen Erwerbözweige einen allgemeinen Überblick besitzend, sich heraus-
nehmen, über die wichtigsten ^snteressen eines ganzen Volkes abzuurteilen. An die
Stelle des Studiums tritt das Schlagwort, an die Stelle der sachlichen Erörterung
die Phrase!" Das schreibt vor Jahren ein Schriftsteller über die Krise vor und
nach dem Kriege 1670/71. Wir stellen diesen Satz voran, da er sich inhaltlich
ganz mit der von uns vertretenen Auffassung deckt. Wie vor ZO Jahren ist auch
heute wieder gegen diese Krisenerscheinung Front zu machen. Unsere wirtschafts-
literarische Arbeit dieses Jahres galt dem Kampf gegen DilettantismuS, dem
Kampf gegen das Schlagwort, wir traten ein für nüchterne Sachlichkeit, wir ver-
zichteten auf billige feuilletonistische Anreißerei. Wir erklärten unS aber auch als
Gegner einer übertriebenen Popularisierung der Wirtschaftswissenschaft. Aus diesem
Grunde haben wir bewußt Fragen, an die nur mit dem nötigen fachwissenschaftlichen
Rüstzeug herangegangen werden kann, nur insoweit behandelt, als die Fragestellung
als solche Jnteresse hat. Wir sind ohne zünftlerischen Dünkel der Ansicht, daß
rein wissenschaftliche Diskussionen in die volkswirtschaftlichen Fachblätter gehören.
Dagegen wollen wir uns mit den als gesichert anzusehenden Ergebnissen der For-
schung an den heute an wirtschaftlichen Fragen stark interessierten Laien wenden.
Diese objektive Orientierung ist natürlich frei von parteipolitischen Bindungen und
Dogmen. Wer anderes wünscht, lese die Parteipresse! Mit aller Deutlichkeit sei
aber auch herauSgestellt, daß die alten Rahmen parteipolitischer Programme
längst schon gesprengt sind, daß in den sich neu bildenden Wirtschaftsformen die
Grenzen zwischen „rechts" und „links" nicht mehr zu erkennen sind. Noch klammert
man sich an alte Worte, die ihren Jnhalt schon verloren haben, und schleppt sie noch
mit. Es kommt darauf an, das Kommen einer sich neubildenden Wirtschaftsform zu
erfassen, starre Panzer zu sprengen, das Neue zu erleben und zu gestalten. Dabei
bleibt aber die nüchterne Erkenntnis, daß alles leidenschaftliche soziale Wollen be-
grenzt ist durch das wirtschaftliche Können. Unsere Arbeit gilt dem wirtschaftlichen
Aufbau und der Zerstörung von Jllusionen und fragwürdigen bltopien!

Die Zerstörung vorgefaßter Meinungen und falscher Lehrsätze gestattet eine höchst
verdienstvolle Arbeit deS Jnstituts für Konjunkturforschung (Sonderheft 29, Ver-
fasser A. Reithinger) über den „Stand und die blrsachen der Arbeitslosigkeit in
Deutschland".

Llber die Frage der Arbeitslosigkeit gibt es eine llnmenge von Literatur. Auch die
besten Lheoretischen Arbeiten leiden darunter, daß sie, um zu einem hohen wissen-
schaftlichen Erkenntniswert zu gelangen, sehr stark von der Wirklichkeit abstrahieren
müssen, so daß die Anwendung der Ergebnisse für die Gegenwartslage fast zur lln-
möglichkeit wird. Sehr einfach ist die Frage theoretisch mit den Spielregeln der
liberalistischen Schule zu lösen. Betrachtet sie doch unter bestimmten, völlig wirk-
lichkeitsfernen Voraussetzungen ein System der Statik, in dem alle Bewegungs-

796
 
Annotationen