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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1931)
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Rinn, Hermann: Vom Sinn einer Zeitschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0020

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Xl7kl8HVK1' XXXXV.^HKO^NO

Vom Sinn einer ZeitschrifL

(IsP^as kann heuke noch der Sinn einer ZeiLschrifL sein? IsL das ZeiL-
schristensterben, der schwierige SLand aller BläLLer, die den N'anren
ZeiLschrifL verdienen, nichL ein Zeichen dafür, daß sich diese Form von Pnbli-
ziLäL reLtungslos überlebL haL? Ist die ZeiLschrisL nicht zu schwerfällig, mit
den sich überstürzenden Tagesereignissen und WelLvorgängen SchriLL zu
halten? VerwirkL dieses HinLerherLappen nichL jedes RechL, gehörL zn werden?
Rkun, wenn das „Tempo" und der Lärm das leHLe WorL sein sollen, ganz
gewiß. Man könnte ja wahrhastig glauben, daß es so sei. Denn ein Volks-
redner überschreit den andern, ein Zeitungsjunge brüllL den andern nieder,
keine Schlagzeile kann seLL und lauL genug sein, aus das noch nasse Morgen-
blaLL slaLLerL die MiLLagsnummer nieder, auf die TelegrammzeiLung, glänzend
noch und stinkend von Druckerschwärze, 2lbend- und NachLausgabe. Die
Zahl der ReLLer des Abendlandes ist Legion, wenn einer auch nichts als
sein eigenes RezepL verkausen will. Schon auch lüften die Unsterblichen sich
von den WolkensiHen, werfen mit Broschüren und seurigen Reden um sich
und nehmen es um des Geistes und der MenschheiL willen miL der verwegen-
sten Iournarlle auf, indes freilich noch mancher DichLer bei seiner BeLLel-
suppe siHL oder im Winkel verkommL und das SchrisLLum zum Zankapsel
der ParLeien wird. Vergeblich schauen wir aus nach den gewichtigen publi-
zistischen WorLsührern, die England und Frankreich noch haL, nach der
großen gesürchteten KriLjk, nach den echten Erben der Görres und Lassalle.
Dasür aber erleben wir es, daß bei Berusungen an die Hochschulen die Par-
LeikarLe im Spiele ist, daß es von den Lehrkanzeln der Wissenschast „poli-
Lisch" donnert und zetert, daß GeheimräLe, össentliche Prosessoren und PrivaL-
dozeuken ihre MeinungsverschiedenheiLen vor breitesiem Publikum in den
Spalten der TageszeiLung austragen, ausgeregt wie die ReporLer und LeiL-
artikler, uneins untereinander wie nur GelehrLe es sein können, jeder aus eigene
Faust, aber im Ikamen der unsehlbaren Wissenschast. UnLerdes es nur
einem Blinden entgehen kann, daß Ansehen und Bedeutung der IlniversiLäL im
össentlichen Leben unhaltbar hinschwinden, die mächtigen Anreger und hin-
reißenden PersönlichkeiLen, wie es TroelLsch und Max Weber noch waren,
im Aussterben sind, die emanzipierte, unberatene akademische Iugend aber
den Ehrgeiz hat, es der Straße gleichzutun. Wie der billige Iakob halten
die ParLeien Ausverkaus in SchlagworLen und Phrasen und drehen ihre
Leierkästen, die ParLeibonzen siHen ans ihren Psründen nnd bangen um ihre
GesolgschafL, das ParlamenL, die BertreLung des Volkes, hatAngst
vor sich selber und ist froh, ausgeschaltet zu sein; man ziLLert davor, mit Ber-
antwortung beladen zu werden, meckert, raunzt, LobL und drängelt nach vorn,

Oktoberheft igzi (XXXXV, i)

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