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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 2 (Novemberheft 1931)
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Briccius, W. A.: Gold- oder Indexwährung?
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Böhm, Hans: Ein neues System der Weltgeschichte: zu Ligetis "Weg aus dem Chaos"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0163

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Goldbestand des JnstitnteS in Anspruch genornmen werden muß. Der Kampf ums
Gold ist dannt in vollem Gang. Das ist auch der Sinn der nunmehr stark verschärf-
ten Devisengesetzgebung des Deutschen Reiches, daß alle Devisen gesammelt iverden
müssen, um als Abwehrmittel in diesem Kampfe eingesetzt zu werden. Der Angriff
geht in der jüngsten Zeit von Frankreich aus. Es führte den ersten Schlag gegen
Osterreich, dem noch England Hilfe bringen konnte. Der zweite Angrisf galt Deutsch-
land. Gewaltige Kreditabziehungen mußten zu einer starken Währungskrisis führen.
Der Zusammenbruch wurde durch daS Stillhalteabkommen auf 6 Monate gebannt.
Jn der Zwischenzeit hat Frankreich unablässig aus England Gold herausgeholt. Seit
Juni wurden etwa Z Milliarden Reichsmark vom englischen Markte abgezogen. Un-
aufhaltsam fchien Frankreich auch weiterhin daS englische Gold aufzusangen. Da
hob England am 20. September die Goldwährung auf und ging damit zum energi-
fchen Abwehrkampf mit einem Gegenangrisf über. Das englische Pfund sank gegen-
über dem Gold an Wert, die Pfundguthaben und die Pfundschulden mußten sich ver-
ringern. Die Höhe der Derluste, die Frankreich dadurch erlitten hat, läßt sich schwer
abschätzen; immerhin dürfte das Zusammenbrechen französischer Großbanken als
Symptom der Auöwirkung dieses Schlages aufzufassen sein. Jn rascher Folge schließt
sich eine große Anzahl von Staaten dem Vorgehen Englands an und verläßt die
Goldwährung. Ob dieseS Abrücken vom Goldstandard die endgültige Loslösung
von der Goldwährung bedeuten soll, oder ob sie nur eine vorübergehende Balance-
Maßnahme darstellt, läßt sich heute noch nicht überblicken. Ebensowenig läßt sich
bei der nach außen unklaren Haltung der englischen Währungspolitik ein Urteil
darüber abgeben, ob es sich um zwangsläufige Abwehraktionen handelt oder ob in
dem Vorgehen der anderen Staaten ein groß angelegter Angriff gegen die Gold^-
politik Frankreichs zu erkennen ist. Würden allerdings die Länder, die sich heute von
der Goldwährung losgelöst haben, dabei bleiben und nicht mehr zum Golde zurück-
kehren, so würde die vorhandene Golddecke, die bisher für die Gesamtheit der Staaten,
die sie in Anspruch genommen haben, zu knapp geworden ist, nun zu groß werden.
Diesem großen Goldvorrat steht dann sinkende Nachfrage gegenüber, ein starkeö Ab-
sinken des Wertes des Goldes muß die Folge sein — die Goldinflation beginnt.

Briccius

Em neues Sysiem der Weltgeschichte

Zu Ligetis „Weg aus dem Chaoö"

ie es scheint, hat von allen Kulturen allein die des christlichen Abend-

landes (Augustin, Hieronymus) den Begrisf dsr Weltgeschichte ge-
schaffen, indem sie alleS gefchichtliche Gefchehen ausfaßte als einheitliche, nach gött-
lichem Heilsplan einem Ziele zustrebsnde Bewegung. Dieses Ziel verweltlicht
sich, erniedrigt sich in der Neuzeit: der heilige Mensch der Kirchenväter wird dem
Neu-HumanismuS zum Menschen schlechthin, wird dem Liberalismus und dem
Marrismus zum freien Menfchen; die Zielstrebigkeit des Verlaufes selbst aber wird
aus der theologischen Lehre übernommen, wird nicht in Frage gestellt.

Das im ig. (fahrhundert sich ungeheuer erweiternde Blickfeld zeigt indessen in Ge-
genwart und Vergangenheit eine Menge zum Teil hochwertiger Kulturen, die sich
jenem Schema schwer unterordnen lassen, die aber untereinander bestimmte Züge
gemein haben; schon lögg spricht ein Historiker von „griechischem" Mittelalter.
An die Stelle jenes einen Stroms historischen Geschehens schien damit das Bild
zahlreicher Kulturen zu Lreten, die neben- und nacheinander verwandte Entwicklungen
des staatlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens durchmachen.
(fhre Ähnlichkeit schien auf eine GessHlichkeit im Geschichtsverlauf zu deuten, die
man neuerdings ebenso energifch zu ergründen und darzustellen suchte (Breysig,

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