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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 10 (Juliheft 1932)
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Briccius, W. A.: Wegweiser durch die Wirtschaftsliteratur
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0748

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Sparkätigkeit, die sich zur Gruadtage seiner Krisentheorie gestalten. Besonders tvertvoll
Lst es aber weiterhin, daß er sich nicht darauf beschränkt, die Lheoretischen Zusammen-
hänge zu erklären, sondern daß er durch seine überlegene Beherrschung der statistischen
Methoden die Brücke von der theoretischen Dynamik zur Wirklichkeit des GeschehniS-
ablaufes zu schlagen versteht. Von aktuellstem Jnteresse sind endlich noch die grund-
legenden Kapitel der „WährungSpolitik", wobei noch kurz auf seine Unterscheidung
einer internationalen, nationalen und überstaatlichen WährungSpolitik aufmerksam
gemacht sei. BedeutungSvoll ist noch sein Hintveis, daß bei aller theoretischen Einsicht
und bei der Klärung von Währungsfragen noch größtes Gemicht auf die exakte quan-
Litative Untersuchung aller Fragen zu legen ist. Das umfangreiche Werk (uber 600
Seiten) hat vielleicht nur einen Nachteil. Trotz klarer Darstellung ist es ungemein
schrver geschrieben, und es erfordert, selbst unter der Voraussetzung guter wissenschaft-
licher Schulunq, ernstes, hinqebunqsvolles Studium. Die Mühe wird aber überreich
gelohnt. W. 2l. Briccius

Umschau

Mucht ins LrriPire?

i

wischen Lausanne und London liegt
Ottawa, die Reichswirtschaftskonferenz
des englischen Mutterlandes mit den sechs
Dominions Kanada, Neufundland,Austra-
lien, Neuseeland, Südafrika und Jrland,
sowie mit (gndien, dem kommenden sie-
benten Freistaat innerhalb des ,,8ritisb
6omrnon>v63ltli ok iXcitionZ." Ottawa
sollte schon vor einem Jahr stattfinden,
als Fortsetzung der im November igZo
gescheiterten Londoner Reichskonferenz.
Inzwischen hat sich auf der Welt allerlei
ereignet. Dadurch ist Ottawa in die zeit-
liche und problematische Mitte zwischen
der Lausanner Tribut- und der Londoner
Weltwirtschaftskonferenz geraten und hat
ein ganz neues Geficht bekommen. Mac-
donald liebt Konferenzen. Sie sind, je
größer je besser, die Bühne, auf der er
alle Jmponderabilien seiner Natur spie-
len lassen, und die Kulisse, hinter der man
einen Mißerfolg am leichtesten verbergen
kann. Ottawa bedeutete noch vor zwei
Jahren die Flucht ins Empire. England
hoffte in dem Weltreich, in dessen ein
Viertel der Erde umspannenden Grenzen
die Sonne nicht untergeht, unter rund
/s6i Millionen potentiellen Käufern einen
sicheren, bevorzugten Markt zu finden,
womöglich durch Zollmauern nach außen
geschützt, nach innen aber so frei, wie Cob-
den es einst für die ganze Welt wünschte.
Man hatte überall Gelände verloren und

Amerika war das lockende Vorbild: ein
Riesonraum ohne innere Grenzen, prospe-
rierend ohne Aufhören, die Produktion
aufs raffinierteste rationalisiert, der Kon-
sum scheinbar ohne Sättigung, und der
Erport, getragen von dem lebenskräftigen
Binnenmarkt, von Erfolg zu Erfolg
schreitend. Man sah die Entwicklung der
Welt einigen wenigen, großen Wirt-
schaftseinheiten zueilen: Sowjetrußland,
Paneuropa, Pansüdamerika würden ent-
stehen. England müßte sich entscheiden.
Aus nationalen, sentimentalen, wirtschaft-
lichen Gründen lag es nahe, sich fürs lürn-
pire zu entscheiden, das man bisher dem
Zufall überlassen hatte, das aber im Zeit-
alter der Planung, der Aufteilung der
Produktion und Märkte, des alles über-
windenden VerkehrS nach Zusammenfas-
sung und planartiger Entwicklung gerade-
zu drängte.

2

(^nzwischen ist England in die Zange des
deutschen Widerstands und des französi-
schen VernichtungswillenS geraten und
hat eine furchtbare Lehre bekommen. Es
hat in unerhörter Weise erfahren, wie
sehr es auf Leben und Tod mit der Jnter-
nationalität der Wirtfchaft, des Geld-
und Warenverkehrs, des KapitalismuS
verwachsen ist. Es hat sich zwar in höch-
ster Not durch Aufgabe des Goldstan-
dards und durch Aufbau einer Schutzzoll-
mauer in die Büsche schlagen wollen.
Auch Ottawa wird von vielen Englän-

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