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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 7 (Aprilheft 1932)
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Briccius, W. A.: Internationale politische Verschuldung
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0532

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Moratorium hat den völligen Zerfall der Weltwirtschaft für dieses Jahr verhindert.
Die Beseitigung aller politischen Schulden wird die Basis schasfen
können, daß wieder natürliche Kreditverflechtungen, wie sie sich aus
dem laufenden Auötausch von Waren, Dienstleistungen und Kapitalien ergeben, an
Stelle widernatürlicher Zwangsverschuldungen treten. Für die wirtschaftliche und
politische Neugestaltung der Welt ist diese Forderung unabweisbar. Briccius

Umschau

Jos Popx p

m ii. März ist der langjährige
Freund des HauseS Callwey und Mit-
arbeiter des Kunstwarts Prof. Jos. Popp
einem Herzleiden, das ihm seit Mona-
ten zu schasfen machte, erlegen. Überra-
schend, da gerade in den letzten Wochen
sich eine endgültige Besserung zu zeigen
schien.

Die aufmerksamen unter unseren Lesern
werden schon längst bemerkt haben, wie
durch alles, was er schriftlich niederlegte,
das gesprochene Wort hindurchklang. So
vieleS und Anerkanntes Popp geschrieben
hat, sein BesteS gab er in Rede und Ge-
spräch, er war eine mündliche Natur, wie
ich wenige kenne. Es gibt von ihm ein paar
Bücher: über den Tiroler Barockmaler
Knoller,dieProbleme der figuralen Wand-
malerei, den Architekten Bruno Paul, Ed.
von Steinle, die neuen bayrischen Post-
bauten, das Kulturproblem Technik u. a.
Die letzten fyahre beschäftigte ihn immer
wieder der Plan einer Architekturästhetik.
Aber so wenig er von einer strengen Wis-
senschaft lassen wollte, so leicht ein Ge-
spräch in abstrakte und grundsätzliche Er-
örterungen auSmündete, so sehr er bln-
klarheiten in den Voraussetzungen haßte,
es war kein Zufall, daß jene systemati-
sche Architekturästhetik nicht endgültig fer-
tig werden wollte. Er erzählte mir von
mehreren Fassungen, von den Entwür-
fen zu schweigen, die in den Papierkorb
flogen. Es war ihm unbehaglich bei der
bloßen Theorie, er mißtraute allen Gene-
rallösungen, seine Passion für das An-
schauliche, Konkrete, Einmalige, Jndivi-
duelle riß ihn immer wieder über das
„Wissenschaftliche" hinaus, so daß man
manchmal sehr ketzerische Meinungen von
ihm zu hören bekam. Das war der Wi-
derspruch in seiner Natur, das sprudelnd
Lebendige in ihm. Er war ein geschwore-

4?o

ner Feind alleS Engherzigen, Doktrinären,
Dogmatischen und Zünftigen, der wissen-
schaftlichen Überheblichkeit und Selbstge-
nügsamkeit, er haßte den Spießer und Pe-
danten. Mit seinen Kritiken, Gelegen-
heitsschriften und Aufsätzen könnte man
Bände füllen. Es lag ihm wenig daran,
er fühlte sich erst wohl bei der lebendigen
Übermittlung durch Gespräch, Nede und
Polemik. Jn seinen Vorlesungen gab es
keine langweilige Stunde. Er brachte es
zustande, einfachen Arbeitern einen Be-
griff von Grünewald oder Burgkmair zu
geben, und ich weiß, daß ihn nichts mehr
befriedigte, als wenn er da seinen guten
Tag gehabt hatte. Geschichte als Selbst-
zweck lehnte er völlig ab, sie war ihm
etwas Wirkendes, Unverlierbares, was
dauernd in Gegenwart verwandelt und
einverleibt werden mußte. Überhaupt lag
seine Stärke im glücklichen Augenblick, im
Jntuitiven, in der raschen, spontanen Er-
fassung, in der Jmprovisation, in der leb-
haften Empfindung. klnter seinen Hörern
ist kaum einer, dem nicht eine Poppsche
Prägung, ein Einfall, eine Gewagtheit im
Gedächtnis haftete. Popp gehörte zu den
ganz wem'gen Wissenschaftlern und Kri-
tikern, die ein ganz ursprüngliches, blut-
haftes VerhältniS zur Kunst haben und
die Gabe besitzen, auch einmal einem Blin-
den die Augen zu öffnen.

Er hatte, was in Deutschland so selten
ist, im höchsten Maße: Zivilkurafche. Wo
es gegen festgefrorene Meinungen, Un-
duldsames, ReaktionäreS, Beamtenzopf
oder Gesinnllngsschwindel ging, war
Popp stets in der vordersten Reihe der
Kämpfer. Er nahm keine Nücksicht auf
die Fachwelt, auf Prestigefragen, und erst
recht nicht auf die eigene Stellung oder
Karriere. Er schlug die schärfste Klinge,
aber er kannte keine Gehässigkeit.

Llber den Menschen Popp kann ich nur
zögernd ein Wort sagen. Diese Kämpfer-
 
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