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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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Eschweiler, Karl: Der nationale Gedanke als reale Vernunft
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Thiry, Antoon: Zwei Weihnachtsgeschichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0201

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Dem Nachdenklichen wird das GesagLe genügen zu der Erkenntnis, daß die
Vernrteilnng der nationalsozialjslischen Bewegnng durch den deutschen Epis-
kopat notwendig gewesen isi und alles andere beabsichtigt als eine Schwächung
des vernünstigen nationalen Willens, der unserem Volke heute notwendiger
ist als damals. 2ln uns liegt es, durch diese heilsame und unvermeidliche
Entscheidnng besreit zu werden für die Verwirklichung des deutschen Gedan-
kens in seiner realen Vernünstigkeit.

Zwei WeihnachLSgeschichLen

Von Antoon Thiry
Das wandernde Beginchen

i.

^^n jenem Winter war das Wandernde Beginchen wieder einmal in ,ber
^)kleinen Stadt erschienen.

Und wie immer, wenn sie flugs bei den Menschen einzog, geschah dies mitten
in der lLLacht, so daß niemand sie zu Gesicht bekam.

lbLnr der alte Wächter, der in der Beginenstraße unter dem Armenhauspsört-
chen untergestanden war, um vor dem Schneesall SchuH zu sinden, hatte
durch das Grau des nächtlichen Schneegewirrs eine lange und dunkle Geßalt
herantrotteln sehen, die er an der Haube und dem breiten Rock gar bald als ein
Beginchen zu erkennen glaubte. „Die kommt ja nich wenig zu spät!" dachte
er höhnisch. „Die mag nnr klogsen und die Psörtnerin aus ihrem Bett kommen
lassen, o je! da wird sie was zn hören kriegen!"

2lber klopfen tat sie zu seiner Verwunderung nicht. Das Laternchen, das über
der runden Beginenhospsorte an einem langen eisernen 2lrm durch das herab-
sinkende Schneegestiebe blinzelte, ließ ihn sehen, wie sie an dem großen und auch
an dem kleinen Tor vorbeilies und sich hinter der Pumpe, die neben dem Tor
stand, verßeckte.

„Was is das nun? Was is das nun?" sragte er sich erstaunt. Er rührte sich
schon, um hinzugehen und zu fragen wer nnd was, aber die Furcht, daß es viel-
leicht kein Beginchen sein könnte, bewog ihn, sich wieder an die Mauer zu drücken,
und tausend ängstliche Vermutungen machten seinen dickumhüllten Kopf zittern.
Bis plötzlich ein Gedanke aus diesem Wirrwarr heranfschoß und ihn vor
Rührnng beben ließ: ,das Wandernde BeginchenL
Es war nicht anders möglich. Sie mußte es sein!

Ehe er es sich recht überlegt hatte, war er schon zum Psörtchen hinaus und
trabte aus seinen alten ßeisen Beinen geradeswegs zu dem Beginenhospsört-
chen, aus dem er den Klopser dröhnen ließ, und dann daneben die steinerne
Treppe hinaus zu dem Herrn Psarrer seinem Haus, um dort an der Klingel
zu ziehen. Es schallte schrill durch das hohle Haus und zitterte in die Schnee-
nacht hinein.

In die Mitte der Straße stellte er sich dann, den Kops rasch hin und her von
der einen Tür nach der andern drehend, keuchend vor Ungeduld, ,die große
Uecnigkeit erzählen zu können.

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