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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1932)
DOI Artikel:
Luserke, Martin: Der Dampfer, der aufs Land heraufkam
DOI Artikel:
Schellenberg, Ernst Ludwig: Andreas Haukland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0369

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wartek. Ein halbes Iahrhundert später lag nun der Dampfer hier als
Wrack, nachdem er nur noch geringschähig als ein alkmodischer Eisenkasten in
den Häsen geduldet worden war. Und das ging Kenny L Sohn etwas an.
Herr Kenny nahm seinen hohen Seidenhut ab und starrte sinnend ans das
hohle, leichte runde Ding. Wenn es eine Verantwortung der Menschen gegm-
über den Dingen gibt, die wir in die Form eines Sinnes bringen oder wenig-
stens dessen, was wir zurzeit sür einen Sinn halten, so war dieser Hnt noch
eine bessere Leistung als so ein ungeheuerlicher Damyser. Es war möglich, rnit
diesem ganzen neuen Ding von einem Hut eine bleibende Gemeinsamkeit des
Lebens und des Verbrauchtwerdens herzustellen. Mochte die Geschichte auch
noch so langweilig vom Menschenhochmut handeln, der sich der Dinge einfach
bemächtigt, sie hatte doch Llnsang und Ende, die sich der Hut gefallen lassen
konnte. Das Ende des Moloch von Lüch aber war unvorhergesehen und belei-
digend. Es war die Folge von Psuscherei und Voreiligkeit. Dnrch mensch-
lichen VorwiH waren bedrohliche Massen von Dingen jetzt zum Einslurz ins
ITichts und zum schimyslichen Berenden gebracht. Die Firma Kenny L Sohn
hatte das Schicksal ihres Dampsers wahrscheinlich vor irgendeiner Instanz
zu verantworten, und ans dem ansterweltlichen Kontor war eine Order viel-
leicht schon unterwegs.

In diesen Minuten, in denen Herr Kenny sich den wirklichen Zusammen-
hängen sehr nahe sühlte, schob sich oben im Zwielicht aus der Eisengalerie des
großen, leeren Raumes der Schistslieger leise an den Rand vor. Sein Gesicht
sah dem des früheren Herrn Nrßler ähnlicher als je. Er sah aus dem Dun-
keln unten den etwas kahlen Schädel des reichen Herrn schimmern, der in
seinen dicken Mantel vermnmmt wieder einmal in dem Wrack herumhockte.
Einzig dieser Mantel tat es dem Strolch an. Er wußte, als er das Eisen-
stück hinabsallen ließ, daß an diesem Abend keine Menschenseele mehr ans den
Strand herauskommen würde. Draußen sauste der Wind in der kalten Däm-
merung um den Moloch von Lüth, der schon kein Schist mehr und noch nicht
ganz ein Trümmerhausen war.

(Aus „Seegeschichten", Ludwig Doggenreiter Berlag, Potsdam.)

Andreas Haukland

SsR^er ist Andreas Haukland? Man kennt den Namen seit einigen Fahren auch
^Z<Ibei uns, denn verschiedene seiner Bücher sind ins Deutsche übertragen worden;
aber erst jetzt scheint seine Zeit bei uns anzuheben.

Haukland, geboren 167g, ist der Sohn eines armen Dienstmädchens aus Nordland
und eines unbekannten Vaters. Er zog als Hausierer von Fjord zu Fjord, roar
Flößer und Holzarbeiter, wanderte durch Wälder und Berge, suhr aus Seen und
Flüssen Norwegens. Später heiratete er die deutsche Bildhauerin Elisabeth Heßler
und wohnt nun bei Hönefossen, in der Nähe von Oslo, als Ackerbauer und
sreier Schriststeller. Ein Leben voll Bedrängnis und Selbständigkeit und ringender
Kräfte. Und wenn man das bärtige, feste Gesicht dieses Mannes betrachtet, dann
weiß man, daß hier ein Kämpfer geworden, der unerbittlich für Recht und Freiheit
besorgt ist, der Freude hat an Frische und genossener Gegenwart.

Fn dem Roman „Ol Förgen"* ist eine Selbstbiographie niedergelegt, episodenreich,
mit keckem Vergnügen an wechselnder Erotik. Das Buch, als reineS Kunstwerk minder

* A. Sponholtz, Hannover.
 
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