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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1932)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Das deutsche Ringen um Gestalt: Brief an einen jungen Freund
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0700

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Das deutsche Ringen nm Gesialt

Brief an einen jungen Freund
Von Hermann Ullrnann

ie rrchken an mich dre Frage, die heute jeden jungen Denkschen bedrängk.

^—^Sie sgrechen jenes Grundgesühl aus, das nberall in den Besten der deuk-
schen Fugend lebk. Sie sühlen in sich einen lebendigen und starken Glauben,
jene Gläubigkeik, die noch einen gesunden Lebenskern beweist. Aber dieser Glanbe
findek in der polikischen Wirklichkeit keinen Halk, siehk sich nirgends bestäkigt,
wird nirgends von einer sesten Führung gepslegk, wird immer wieder enkkänscht;
er muß nur ans sich selbst wachsen. Feder Glaube aber suchk Form, suchk
Aukorikäk und Gemeinde. So enkstehen kurzlebige Scheinaukoritäten, enkstehk
die Fluchk in die Sekke, die, auch wenn sie Millionen umfaßk, Sekke bleibk,
und nichr Nakion, nichk gestalkekes Volk wird.

Wir leben überrasch. Vor kaum zwei Iahren war es noch nökig, die Allzube-
guemen zu beschwören: verwechselk diese Krise der ganzen Erdbevölkerung nichk
mik den schon erlebken und gewöhnlichen Krisen! Sehk das Säkulare, das völlig
Neue, das Unvergleichbare nichk nur ihres Ausmaßes, auch ihrer Tiefe! Allzu-
sehr hakken sich die Illusionen dieser blinden Iahre seik 1918 eingenistek: als
handle es sich nur um eine Episode, und die Rückkehr zum alken Forkschrikk
der Vorkriegszeik sei nur eine Frage des „Wiederausbaus", der „Verständi-
gung" oder des „Durchhalkens".

Heuke muß man schon den Allzn-Unruhigen enkgegenhalken: Krise kann nichk
Selbstzweck, nichk Lebensinhalk eines Volkes und der Völker sein, im „Stirb
nnd Werde!" muß ein Kern wie der Einzelgersönlichkeik so der Volkspersönlich-
keik sichkbar und sühlbar bleiben, er darf nichk der Krise geopferk, nichk ihr über-
lassen werden, nichk in ihr aufgehen. Die ungeheure Änderung des „Milieus",
und zwar der gesamken überfchaubaren Welk, hak die Geister und Seelen in
eine ungeheure Bewegung gerissen. Diese Bewegung wird weikhin mik der
Eigenbewegung des PersönlichkeiLskerns, mik seinem innersten Leben selbst ver-
wechselk. Nlchk jeder Baum, durch dessen Geäst der Sturm rauschk, ist lebendig.
Der „Anpassnngskampf", in dem zum mindesten die weiße Menschheik stehk,
ist nichk das Wesenkliche, sondern das, was in ihm bleibk. Er wird nichk vom
„Mllieu" enkschieden, sondern vom PersönlichkeiLskern der Menschen nnd Völ-
ker; nichk vom Anpassungsziel, sondern von der zur „Anpassung" (woran?)
gezwungenen Substanz. Selbstverständlichkeikend Heute und hier in Deuksch-
land leider nichk.

Alles Leben kann als Kampf zwischen Persönlichkeitskern und äußeren Ein-
flüssen verstanden werden. 2luch das Leben der Völker, dieser im Augenblick
akkivsten überindividuellen Einheiken. 2lber die Form, in der dieser Kampf aus-

Juliheft igZ2 (XXXXV, 10) 617
 
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