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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI issue:
Heft 1 (Oktoberheft 1931)
DOI article:
Berrsche, Alexander: Pfingstwunder der deutschen Musik, [1]
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Frankreich in Indochina, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0075

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wissen es nicht, nicht einmal die PsychoanalyLiker, die doch alles wissen. Es
ist ein meLaphysisches Geheimnis, das durch die GeschichLe nur bestäLigL, nichL
erklärt wird. „Ihr DeuLschen habL es eben leichL, musikalisch, ja musikbesessen
zn sein, ihr habL den unschäHbaren VorLeil einer sozusagen legiLimen Kou-
LinuiLäL musikalischer EnLwicklung, die seiL dem Ausgang des MiLLelalLers
eingeseHL haL und nie unLerbrochen worden ist wie bei uns." So sagLe mir
vor zwei Iahren ein geisireicher Musiker und Landsmann Romain Rollands.
Ich erwiderke ihm: „Das isi genau umgekehrL. Wir sind nichL das musi-
kalische Volk, weil wir unsere große GeschichLe und TradiLion haben, sondern
wir haben diese GeschichLe und TradiLion, weil wir das musikalische Volk
sind." Das sand er sehr neLL; er hatie als echter Franzose seinen Spaß an
jeder impvovisierLen AnLiihese. In ver Sache war er anderer Nkeinung.
Aber dann erzählLe er mir, wie in Frankreich keine Nkusik liebevoller, ja
leidenschafLlicher gepflegL werde als die deuLsche, und welch vollendeLe InLer-
preLaLionen BeeLhovenscher Symphonien er in Nom unter Nkolinari erlebL
habe. Er meinLe, wenn es in Frankreich mehr Nkusiker gäbe, wäre das Ver-
ständnis für DeuLschland größer und die Einigung der Vblker gar nichL so
schwer. Ganz Europa schwelge in deukscher Nkusik. Da schwieg ich, weil mir
keine rechke ÄnLworL einfiel. Ich dachLe an die WehrlosigkeiL alles Geistigen
vor PoliLikern und GeschäsLsleuLen. Ich dachLe an die opLimistischen Selbst-
Läuschungen vorurLeilsloser Künstler. Aber ich dachLe auch an meinen alLen
Pfarrer und seinen Glauben an das Pfingstwunder der deukschen Nkusik.

Frankreich m Jnbochma

i.

s vergeht kaum ein Monat, daß nicht mehrere Bücher über Jndochina in Frank-

vO. reich erscheinen. Schaut man aber näher zu, so sieht man, daß es sich entweder
um bloße Berherrlichungen der französischen Herrschaft daselbst oder um Darstellun-
gen der Nomantik des VolkstumS zwecks Reisepropaganda handelt. Die kritische
Literatur ist dünn gesät, was bei der Einstellung des Durchsthnittöfranzosen zu
der ostiziellen Jdeologie nicht wundernimmt. An Ort und Stelle aber die Sachlage zu
untersuchen, dürfte für den Ausländer kaum ratsam sein. Er würde im besten
Fall alsbald aus dem Lande hinauskomplimentiert, oder, wenn er Einblicke ge-
winnen konnte, die Veröstentlichung indirekt hintertrieben sehen, wie es neulich der
Veröstentlichung einer Deutschen über Cayenne in der „Berliner Illustrierten Zei-
tung" widerfuhr. Für den, der zu lesen versteht, genügen auch die kritischen Ver-
östentlichungen der leHten Iahre; weiter als etwa 192Z dabei zurückzugehen, emp-
fiehlt fich nicht, weil man sonst leicht seither etwa eingeführte Reformen übersehen
könnte. Was in den letzten Iahren mit dieser Tendenz ersthien, zeigt immerhin, daß
der Geist deS „k'eeeuse" zur Ehre Frankreichs noch nicht völlig erloschen ist.

Die Hauptquellen für die Heutigen Zustände in Indochina sind folgende:

I. Die ästhetisch-human eingestellten Bücher: 1. Leon W e r t h , „Coebinebine" R»
kiikäer äL Lie.). Von nicht unbedeutendem dichteristhem Wert; geht vom Stand-
punkt eines individualististhen und ästhetisierenden Edelanarchismuö auö. 2. Luc Dur-
t a i n , „Disux blancs bonirn68 jsunes". (klrn68t ^leinrnsrion). Z. Roland Dor-
geles, „8ur le route lVlenäerine" lrLlbin Nicliel). Beide ähneln in der Ein-
stellung Werth, sind aber literaristh geringer; Durtain ist für unser gegenwärtigeS
Problem ergiebiger als DorgeleS.

LO
 
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