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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 6 (Märzheft 1932)
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Böhm, Hans: Schriften von und über Goethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0442

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Z. B l o g r a p h i s ch e s

Nichr immer haben grade di'e Schriftgelehrten, ob Professoren oder Lireraten, den
nächsten Zugang zu Goeche. Flache Philologen roie R. M. Meyer, derbe Rationa-
listen wie Ed. Engel und Georg Brandes, geschwätzige Philister wie Bode, Geister
des Vorurteils und Oünkels wie Chamberlain, endlich der smarte Herr Emil Ludwig,
der Goethe fur die Löwinnen des Kurfürstendamms herrichtet — sie alle gelangen
kaum in die Borhöfe dieses Dichterlebens. 2lber Carus (jetzt auch in Kröners Ta-
schenausgaben) und Carlyle, Hehn und Schrempf haben Bedeutendes über ihn zu
sagen, weil sie mit persönlick>sitkllchen Anliegen vor seine Gestalt treten und ein
eigenes kräftiges Weltleben einzusetzen haben. So sind Hermann Grimms „Vov-
lesungen über Goethe" (zuerst 167^), die beste Goethe-Biographie des vorigen Jahr-
hunderts, noch immer jung. Das unsrige bringt dann mit Simmels und Gundolfs
Büchern Werke, die als Leistung und Forderung Epoche gemacht haben.

Dem Wandel der Auffassungen hat sich auch ein Volksbuch wie der B i e l s ch 0 w s k y
nicht entzogen. Die Alteren unter uns entsinnen sich noch des starken Eindrucks, den
der erste Band seiner Goethe-Biographie (1696) machte. Der Erfolg war nicht un-
verdient, denn dieser Schulmann konnte erzählen und verband volle Beherrschung
des Stoffs mit warmherziger Verehrung seines Helden. Freilich: sonderlich tief war
dieser nicht gesehen; es war ein zahmer „Goethe fürs deutfche Haus", und eben
diese Schranken hatten auch an dem Erfolg des Buches Anteil. Seine begeisterte
Aufnahme zeigte aber weiter an, daß die Kurve sich aus größter Goethe-Ferne
wieder auf diese Sonne zubewegte. Allmählich versank das blasse Licht liberal-posi-
tivistischer Weltsicht, und die kosmische Schau des jungen und des greisen Goethe
erschien wieder. Die Philologie besann sich unter dem Einfluß philosophischer
Geister, von Dilthey bis Cassirer, auf höhere Aufgaben, die Kunstwissenschaft (Wölss-
lin, Worringer) lehrte unbefangene Würdigung unklassischen StilwollenS, das Leben
brachte Erschütterungen, die der Welt des iin äe sieole unfaßlich gewesen. All die-
ses mußte bisher übersehene Züge im Bild der größten Erscheinung neuerer Zeit
entschleiern helfen. Darüber geriet Bielschowsky arg ins Hintertreffen, und es war
ein guter Gedanke des Verlages (Beck), eine durchgreifende Erneuerung deö WerkeS
zu versuchen. Walther Linden hat sie mit Geschmack und Geschick vollzogen. Eine
Reihe von Kapiteln hat er ganz oder größtenteils neu geschrieben, überall sonst durch
Einschübe oder Weglassungen unserer heutigen Ausfassung ihr Necht verschafft. Jm
Ton verschmelzen diese neuen Teile und Stücke ganz mit dem alten Bestand, eine
Leistung nicht zuletzt eines schönen künstlerischen Taktes. Der Ausdruck bleibt somit
im Bereich edler Volkstümlichkeit und meidet die heutige Llberhitzung; höchstens
„die Mariannenliebe" (will sagen: Goethes Liebe zu Marianne v. Willemer) ist
eine Entgleisung solcher Art. Zusammenfassend kann man sagen, daß der erneuerte
Bielschowsky keinen seiner Vorzüge verloren und viele dazugewonnen hat.

Neben diesen Zweibänder treten neuestens einige knappere Hausbücher. Das um-
fangreichste von der Hand des Freiburger Germanisten Witk 0 p (Cotta), eine
gut geschriebene Darstellung des Wissenswürdigsten aus GoetheS Leben und Werk.
Der Reichskunstwart Edwin Redslob betont die Kulturbedeutung in Goethes
Leben und Werk; mit dem Schmuck von über 60 Abbildungen (Schattenbilder,
Zeichnungen und Graphik der Goethezeit) ist daS schmale Buch eine äußerlich sehr
schöne Darbietung zum Goethejahr (Neichsdruckerei).

Einem Ferienkurs entstammt das schöne Bändchen des Jenaer Dozenten Ernst V i n -
cent „Leidenschaft und KlarheiL" (Klotz, Gotha), das, Goethe im Verhältnis zu
fünf geliebten Frauen zeigend (Friederike, Charlotte, Christiane, Marianne nnd
bllrike), auf engstem Raum die innere Biographie des Menschen und Dichters gibt.
Zilchert (Emil Roth), Wi11ige (Böhlau) und Suchel (Mittler) bringen päda-
gogisch geschickte Einführungen für junge Menschen.

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