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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1932)
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Wegweiser durch die Wirtschaftsliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0745

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Bei der Schwierigkeit, die wirtschaftlichen Fragen einem breiteren Kreise zugängkich
zu machen, bei der Sprödigkeit der Materie und bei der Langweiligkeit und Trocken-
heit, mit der der zünftige Wissenfchaftler im allgemeinen fchrieb und fchreibt, ift es ver-
ftändlich, daß eine ganz neue Art des Schreibens nnd DarftellenS modern wnrde,
das was wir mit Wirtschaftsbelletriftik bezeichneten. Es ift die feuille-
toniftische 2lrt, die 'leichte Lesbarkeit, die spritzige Ausdrncksweise, die von vorne-
herein einnimmt. Sie birgt aber anch in sich die große Gefahr des AndeutenS von
Problemen, des Geiftreichelns und der Uneraktheit. Wir glauben daher auch diese ge-
fällige Literatur, diesen Versuch der Popularisierung der Wirtfchaftswissenfchaft
ablehnen zu müssen.

Daneben erfcheint das parteipolitisch bedinote Schrifttum. Gerade
hier findet sich die Mifchung zwifchen PopularisierungSversuchen und Wissenschaft
naturgemäß besonders häufig. Doch ift es verhältnismäßig nicht schwer, sich nach
kurzer Durchsicht ein Urteil zu bilden. Faft immer sind diese Arbeiten programmatifch
feftgelegt, und man weiß sehr bald, was als Lösung herauskommt und herauskom-
men muß. Sie sind ideologifch und soziologifch interessant, auch der Sozialpsychologe
mag dabei auf seine Rechnung kommen, jedoch auf dem Wege zur Erkenntnis des
Wahren führen sie uns hinsichtlich der wirtfchaftlichen Frageftellung kaum einen
Schritt weiter.

So bleibt noch das wissenschaftliche Schrifttum. Auch hier müssen wir
vorsichtig sein, denn ein Teil ift ebenfallö bewußt oder unbewußt parteipolitifch be-
dingt. Die Zielsetzung und die VorauSsetzungen sind fchon feftgelegt, wissenfchaftlich
bleibt eigentlich nur die Methode. So verengert sich der Kreis, und trotzdem müssen
wir nochmals zur Vorsicht mahnen! Denn auch unter der Wissenfchaftlichkeit ver-
birgt sich oftmals der wahre Charakter. Wir wollen nicht vergessen, daß es auch hier
Zweckarbeiten gibt, die nur wissenschaftliches Gewand angelegt
haben. Bei Dissertationen und ähnlichen Arbeiten lassen sich oft leicht und deutlich
die Bindungen des VerfasserS erkennen. Oftmals genügt dem Kundigen ein Blick
auf die Widmung und auf die zitierte Literatur, um feftzuftellen, weS Geiftes Kind
das Erzeugnis ift. Die ältere Wissenfchaftlergeneration selbft ift manchmal durch
frühere Schriften feftgelegt, sie findet nicht immer die Anpassungsfähigkeit an ver-
änderte Verhältnisse und den Bekennermut zur wissenfchaftlichen Ehrlichkeit. Der
Dogmatiker siegt über den Kritiker.

Noch ein Wort über den Verleger! Es gab eine Zeit, da man sicher sein konnte,
falls ein Buch in einem erften Verlag erfchienen war, daß es wissenfchaftlich beacht-
lich ift. Auch dieses Kriterium beginnt heute zu fchwinden. Denn es sind bei nam-
haften Verlagen Bücher herausgekommen, bei deren Erfcheinen andere Gründe als
sachliche ausfchlaggebend gewesen sein müssen. Es ift sicher richtiger, zu fordern, daß
eine Arbeit durch den Verlag fchon als Manuskript abgelehnt wird, als daß man
wartet, daß sie die Dffentlichkeit als Buch ablehnen muß.

Nach welchen Richtlinien kann sich also die Kritik eines BucheS überhaupt noch ein-
ftellen? Wenn wir als Ziel unserer Arbeit daö Erkennen der Wahrheit, des Echten
und Wesenhaften setzen, so müssen wir vor allem die Voraussetzungen un-
tersuchen, von denen der Verfasser ausgeht. Diese sind oft nicht deutlich zu erkennen,
sei eS, daß sie verfchwommen dargeftellt sind, sei es, daß sie nur aus der Untersuchung
selbft erkennbar werden. DaS zweite ift, ob eine klare Zielsetzung zu erkennen ift.
Sie ift oft weltanfchaulich oder auch gefühlsmäßig bedingt. Darüber läßt sich wirt-
fchaftlich nicht ftreiten. Diese Zielsetzung kann aber wiederum die Voraussetzungen
selbft verändern, und damit gelangen wir zu einer besonders fchwierigen Wechselbe-
ziehung. Verhältnismäßig leicht läßt sich aber Kritik an den Mitteln üben,
welche zur Erreichung der Zielsetzung angewandt werden müssen. Leicht in dem Sinne,
daß eine Problematik auSzufchalten ift und nur fcharfe Logik und Kenntnis der wirt-

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