Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
DOI Artikel:
Umschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0252
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
kel urtexkangenähert erschienen, indem Zn-
sätze kenntlich gemacht worden sind. Jst
auch diese Art von Kompromiß noch keine
Lösung im Sinne Schenkerscher Forde-
rnng der Unantastbarkeit, so kann man
darin doch eine gewisse Einsicht erblicken.
Aber in allen bisherigen Ausgaben figu-
riert noch immer das herrliche Ges-dur-
Zmpromptu op. go Nr. Z in der Um-
fälschung deö seligen Diabelli, der es zu-
dem auf zusammengezogene Doppeltakte
reduzierte, wodurch er bewies, daß er ein
würdiger Dorläufer der Klindworth, Bü-
low, Riemann war. — Ob die andern
neuen Bände Sonaten usw. im Sinne
obigen Kompromisses oder in solchem al-
ten Herausgeber-Unfugs erschienen sind,
weiß ich nicht zu sagen, da mir Exemplare
nicht vorliegen. Alle übrigen AuSgaben
sind sich einander im Sinne der HerauS-
geber-Zusätze gleich.

Schumann: Die von Clara Schu-
mann revidierte Ausgabe behauptet sich
unter den wohlfeilen noch immer als die
brauchbarste. Doch hat, Mendelssohn
hierin ähnlich, Schumann sür eine minu-
tiöseste Vortragsbezeichnung Sorge ge-
tragen, und die Beguemlichkeit der Heö-
ausgeber-Fabrikanten hat sich allzu stö-
render Einmischung im ganzen enthalten.
Das Haupttummelgebiet für den Heraus-
geberwahn, zu meinen, man müsse die
Großmeister durch Veränderungen und
Zusätze dem Geschmack des Durchschnitts
annähern, bleibt vorzüglich S. Bach, Hän-
del, Haydn, Mozart und Beethoven, so-
wie Chopin vorbehalten.

Und zum Schluß möchte ich nochmals auf
das nachdrücklichste die Erläuterungsaus-
gabe der letzten fünf Sonaten Beetho-
vens von H. Schenker erwähnen. Dort
und nur dort allein liest man von den
Notenköpfen und Bezeichnungen des
MeisterS fowie von der vernichtenden Kri-
tik am Herausgeberwahn ab, was alles
bisher anstatt des reinen Meistertextes
der Welt für ein fchlimmstes Surrogat
vorgesetzt worden ist. Man kann auch
diesen Komplex unter so vielen gleichbe-
deutenden des mutigen und genialen Re-
formators Schenker gar nicht hoch genug
schätzen. Otto Vrieslander

Schallplatten-Auslese

u den schönsten Aufnahmen des Jah-
res gehören die von Furtwängler di-
rigierten Wagnerbruchstücke, die Gram-
mophon vorlegen kann. Jsoldens Liebes-

tod beispielsweise ist nach Ausdruck und
Klang schlechthin vollendet (gZ 439)- 2luch
dem Vorspiel zum ersten Akt (gZ 436)
möchte man dies Prädikat zusprechen,
wenn die Platte nicht infolge ihrer gerin-
gen dynamischen Möglichkeiten doch der
explosiven Steigerung einiges schuldkg
bleiben müßte. Bachs Brandenburgisches
Konzert Nr. Z besticht durch die Kultur
des satten Streicherklangs, wenn man
auch der romantisierenden Bachausdeu-
tung Furtwänglers nicht in allem bei,-
stimmen möchte (93417—16). Ein Ka-
binettstückchen delikater Spielkunst ist
Rossinis Ouvertüre zur „Diebischen El-
ster" (93427); wer sie nur aus dem
„Vierhändigen Album" kennt, wird sein
blaues Wunder erleben.

Reichlich ist Richard Strauß vertreten.
Seine „Bürger als Edelmann"-Suite er-
scheint nicht weniger als dreimal — ein
Zeichen betrüblichen Mangels an Dko-
nomie. Strauß selbst gibt eine tempera-
mentsprühende, aber nicht immer zur letz-
ten Klarheit durchstoßende Version
(Grammophon 93392—6); mit überle-
gener Ziselierkunst arbeitet Straram-Pa-
ris (DWR 1336—9); die Aufnahme von
Clemens Krauß (EH 628—Zi) war mir
nicht zugänglich. Odeon legt zwei Bruch-
stücke aus der „Ägyptischen Helena" vor
(O 6792), die unter Fritz Buschs Leitung
dem koloristischen Zauber Straußischer
Musik kaum etwaS schuldig bleiben.

Den Freunden slawischer Musik wird ein
Hinweis auf Dvoräks Symphonie „Aus
der Neuen Welt" willkommen sein (EI
621—3), ebenso wie auf ein paar Mus-
sorgskyplatten — den Persischen Tanz
aus der „Chowanschtschina" (EJ 636)
und die „Bilder von einer Ausstellung"
in der glitzernden Orchesterfassung Ravels
(Grammophon 27 276—9).

Gegenüber Bruckner üben die Platten-
fabriken leider noch immer Zurückhaltung
(wie man übrigens auch Mahler noch
immer vergebens -suchen muß). Mozarts
Kleine Nachtmusik liegt in einer klanglich
ungemein gefeilten Aufnahme von Bruno
Walter vor (DWR 1346—9). Selbstver-
ständlich, daß Mozarts klarer und durch-
fichtiger Satz den doch immerhin begrenz-
ten Möglichkeiten der Platte besonders
entgegenkommt; das „Plattenohr"
braucht hier nicht in Tätigkeit zu treten.
Ein paar Gesangsplatten noch: daS Qlliw
tett aus den Meistersingern (EJ 693,
ganz vortrefflich!), von SchluSnuS Hugo
 
Annotationen