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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0253

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Wolfs „An die Geliebte" und „O daß
doch gemacht" (Gr. 90 179). Dann Pat-
zak nnt der bezaubernd vorgetragenen
Bildnisarie aus der „Zauberflöte" (Gr.
95^3?) und Lotte Lehmann mit Schu-
mannö „Nußbaum" und „Aufträge" (O.
4821). Warnung aber vor „Widmung"
und „Du bift wie eine Blume" — der
Orchesterfassung der Begleitung wegen

(O. 4624)!

Zwei Sammlungen von höchstem kultu-
rellem Jnteresse verdienten eigentlich eine
ausführliche Würdigung: die Gregorianik
der Abtei St. Pierre von Solesmes (EJ
6z 1—42), das Stilreinste, waS bis heute
erfchienen ist, und die „Musik des
Orients" bei Lindström. Hier ist vor
allem auf die unerhörten Klangreize der
Gamelangplatten aufmerksam zu machen
(besonders O. 1936 und B. Z7 oz6, er-
stere aus Java, letztere aus dem viel uv-
tümlicher gebliebenen Bali).
Weihnachtsplatten liegen bei Abfchluß
dieses Berichts noch nicht vor. Es ge-
nüge daher ein kurzer Hinweis auf die
Thomanerplatte „Joseph, lieber Ioseph
mein" und ,,In clalei sabilo" (Gr.
90160). HansDeneke

EinsichL und Aktion

eutralität steht heute in allen Formen
niedrig im Kurse, nicht bloß die fal-
fche, die der Entfcheidung ausweicht, son-
dern auch die echte, die auch dem Gegner
gerecht zu werden sucht. Überall riecht
man den Liberalismus heraus, und es
ist gut, sich bewußt zu bleiben, daß der
Geruchsinn kein letztes Kriterium ist, wenn
ihn auch manche dafür nehmen wollen.
Die Parteigruppierung zeigt seit Iahren
die Tendenz einer fluchtartigen Entlee-
rung der Mitte und einer Konzentration
auf den radikalen Flügeln. Man darf
die Parteien nicht bloß für sich sehen, als
einzelne Gruppen, die sich mit ihren Pro-
grammen gegeneinander abgrenzen, son-
dern man muß sie auch in ihrer Bezo-
genheit aufemander, in ihrem Zusam-
menhang sehen. Richtiger als durch ihre
Programme sind sie durch den Ort cha-
rakterisiert, den sie in der Skala von
rechts bis links einnehmen. Die Ge-
samtheit der Parteien bildet ein einheit-
liches politifcheö Kraftfeld, wie das Kraft-
feld zwifchen zwei magnetischen Polen.
Iede Partei nimmt darin ihren bestimm-
ten Platz ein, und selbst wenn einzelne
Plätze frei bleiben, bleibt der einheitliche

Zusammenhang erhalten. In ruhigen
Zeiten ist die ganze Reihe gleichmäßig
besetzt, vielleicht ist sogar eine überwie-
gende Anziehungskraft der Mitte vorhan-
den. In bewegten und gespannten Zeiten
dagegen entleert sich die Mitte fast bis
zum Zerreißen.

Die Mitte ist der politische Ort der Neu-
tralität, der Einsicht, an den Polen über-
wiegen die Affekte.

-1-

Einsicht allein kommt nicht weit, das ha-
ben wir erfahren. Die einsichtige Welt,
die von den Asfekten absieht, ist doch
nur ein sehr begrenzter Weltaspekt. Mit
der Einsicht kommt man immer nur bis
zur Antinomie, das heißt: der eine hat
recht und der andere hat auch recht. Aber
sie hat keine Maßstäbe, um zu entfchei-
den; sie hat sie um so weniger, je reiner
sie ist, und sie ist um so reiner, je unbe-
teiligter sie an den Dingen ist, je mehr
der Wille fchweigt. Ie weiter Wille und
Einsicht auseinandertreten, um so deutli-
cher wird es, daß die Entfcheidung nicht
aus der Einsicht, sondern aus dem Wil-
len kommt. Einsichtige Zeiten sind ent-
fcheidungsfchwach, denn sie ordnen den
Willen der Einsicht unter. Ihr Welt-
verhältnis beruht auf dem Optimismus,
daß Einsichtigkeit, d. h. Vernunft, fchon
in den Dingen selber liegt und daß es
daher genügt, Ein-Sicht in sie zu haben.
So wird es verständlich, daß die Einsicht
an den Dingen unbeteiligt bleibt und sich
ihnen betrachtend gegenüberstellt. Für
den Willen, der die Dinge selber gestalten
will, hat sie keine Verwendung, er ist ihr
höchstenS eine Verlegenheit, da er die
eigene Vernunft der Dinge zu stören
droht. Der Wille wird daher formali-
siert, gezähmt, seines Inhaltes entleert
nnd der Einsicht vorgespannt.

Die Einsicht, die Mitte, ist liberal. Sie
entfcheidet nicht, sondern sie verbindet.
Diskussion ist das Mittel, um beiden
Teilen gerecht zu werden, und die Ein-
sicht gibt das Maß der Gerechtigkeit. Sie
steckt nicht in den Dingen, sondern fchwebt
über ihnen, nnd je höher sie fchwebt, nm
so unbeteiligter kann sie urteilen.

Aber je mehr sie Einsicht wird, je weiter
sie sich von den Dingen entfernt, um so
mehr hebt sich die Einheit selber auf,
denn um so mehr erweist sich ihr Opti-
miömus, daß die Welt gut ist und nur
 
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