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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 4 (Januar 1932)
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Mechow, Karl Benno von: Sorgenfrei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0273
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unter dem fern über die kahlen Länder brausenden OrgelLon der Schiffs-
granaLen erzählLe dieser LeuLnanL ein ganz privaLes SLücklein seines Lebens.
Er sprach zu seinem bärLigen SergeanLen von einer Liebe.

Rkein. NichL daß er auspackLe, sich ohne Scham enLdeckLe, sich lächerlich
machLe als Führer, sich als Mensch eLwas vergab! NichLs davon. Das
WorL Liebe kam gar nichL aus seinem Mund. Er sprach dürre SäHe, einen
nach dem anderen, wie man BerichL gibL vom ResulLaL einer Erkundung am
Feind, von der KrankheiL eines Pserdes. So sprach er. Es ist wohl möglich,
daß der SergeanL gar nichLs von Liebe ersuhr aus diesem Gerede. Er spiHLe
nichL die Ohren, er schnmnzelLe nicht, er schauLe diensilich drein nnd sagie
Iawohl.

Dies war es, was der Sergeank an nackLer TaLsächlichkeiL ersuhr, wir
aber lesen zwischen den WorLen. Wir finden zwischen der Dürre eine zarLe
LieblichkeiL versieckL, wir spüren ein bebendes Gefühl, eine nachschwingende
Schwärmerei und jäh aufbrennende Sorge.

So sprach der LeuLnanL:

,Bn einer kleinen SLunde erreichen wir eine Kreuzung der Straßen, dorL
sührL uns unser Weg nach Südwesien geradeaus. Wir aber, unserer PslichL
sonsi gewiß, biegen ab von der geraden Siraße und rer'Len nach Nvrden
hinauf, dem Meere zu. So denke ich, SergeanL.

Wir rer'Len ein SLündlein oder zwei, dann sind wir am Ziel. Ein Hans
liegL dorL am Meer, eine LandwirLschafL, ein riesenhafLes Schloß. Wir
finden dorL nichL eLwa den Herrn dieses Sr'Hes, hinLer Geldsäcken ver-
graben, die wir ihm vor den Aufsiändischen schüHen wollen. O nein!
Kein Hungersiündlein unserer LeuLe, kein SchriLL unserer angesirengken
Pferde abseiLs von der Straße, einem reichen Mann sein Vermögen
zu reLLen!

SergeanL, es gehk nichL um Geld und Loken Besr'H, es geht um zagendes,
schuHloses Leben!

Bärkiger, grauer, lebenskundiger SergeanL, wir sahen gesiern das Enk-
seHen, wir sahen das SLerben in Erro. Lumpen und Plünderer aus der
Ferne, gereizL, da sie des geflüchLeten GuLsherrn nichk mehr hakken habhafL
werden können, in helle WuL verseHL durch die verharrende Pflicht des ver-
waltenden BeamLen, haben diesen erschlagen, haben seine Frau miL ihren
vier blühenden Kindern geschlachtet. Wir sahen es, hilflos, im Vorüber-
reiten. Wir konnLen sie nur noch begraben. —

2lm Meer dorL oben, in jenem wunderlichen Schloß, lebL keineswegs
ein MagnaL unter der Fülle seines BesiHes vergraben. Keine Rede, er ist
nichL da, ihn gibL es nichL, zum Teufel miL ihm! Man sagL, er sei längsi aus
PeLersbnrg nach Paris geflüchket. DorL mag er wohl leben. — In Sor-
genfrei aber am Finnischen Meer, jenem Schloß, das ich meine, leben ver-
lassene Menschen. DorL vergräbt sich in seine PslichLen als Berwalter
der WirLschafL, bis zum Irrsinn an seiner LlrbeiL begeisterL, ein Mann,
er heißL Ramm. Ia, er haL auch eine Frau. Kinder nichL, nein. Keine
Kinder. Ich lag bei ihnen im OuarLier, irgendwann in diesem leHLen,
gesegneLen Sommer. Wir haLLen Ruhe, wir halsen in der ErnLe. Das
war der Sommer."

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