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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 10 (Juliheft 1932)
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Kast, Emil: Julius Zerzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0731
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MonumenLaliLäL und selbsLgenugsamer, ein All umfassender Dingbeschlossen-
heiL (SLygische LandschasL; der kahle Baum; das UlmenblaLL). 2lkL IV ent-
fesselL die dynamische LandschafL, den maLeriell gegebenen Raum als einen
gewordenen und dauernd in Wandlnng begrissenen: geprägLe Form, die
lebend sich enLwickelL. Nebenbei bemerkL: Zerzer kann sich sogar einen 2lb-
siecher ins arListische Spielen mit darsiellerischen Möglichkeiten leisten, wenn
er kühn und erstaunlich wirksam das denkbar abstrakteste Landschaftsbild: eine
LandkarLe plöhlich ganz lebendig „werden" läßt. Der Schlußakt „Der ge-
schürzte KnoLen" läßt die formstreng aufgebaute Sammlung auf- und aus-
klingen; die stärksten Form- und Gehaltswerte liegen meinem Eindruck nach
auf den miLLleren Teilen des Buches. Es muß für die ganze Gedichtreihe anf
den Einklang der unnachsichtlich verpflichLenden Sonettform mit einer unge-
wöhnlichen ReizsamkeiL aller menschlicheu Sinne aufmerksam gemacht werden,
die den Verfasser zu einer vielfach erstaunlichen Klangfarbigkeit und Sprach-
fülle oytischer, akustischer, körperlich abtastender Erlebensform befähigt, wo
die sanfte SeligkeiL der Vorbergwiesen wie die unzugänglich schroffe Herbig-
keit des Hochgebirges gemäßes WorLbild findet.

An das GedichLbuch, das bei IkrLeilsfähigen schon vor Iahren 2lufsehen er-
regte, schloß sich zunächst eine kleine „Faustlegende": „Zohannes". Man
könnte diese Darstellung die Schlnßepisode eines ungeschriebenen, voraus-
zusehenden EnLwicklnngsromans nennen, den ein junger Kunstwissenschaftler Dr.
Zohannes Faust an sich selbst erlebt. Die ParallelseHung zu dem Typus
der abendländischen Geistesgeschichte ist oft noch etwas gezwungen deutlich;
manche Einzelheit erscheint behäbiger umständlich als innerlich notwendig;
fonderbare Geschicke werden mitnnter durch betont schrullige Kauzigkeit ge-
geben, ohne daß wir mit dem Blick auf das Ganze ernstlicher 2lnteil zu neh-
men vermögen. Der 2lbschluß der Legende wie überhaupt die Liebesfabel ent-
behren der gerade in einem Fall, wo doch einfach die Dinge gegeben werden
sollen, besonders wünschenswerten ÜberzeugungskrafL des selbstverständlich
Einleuchtenden. Diese Müngel liegen freilich mehr im Formalen äußeren
2lufbauens als im gedanklichen Gehalt, der sich als das sinnvolle Mittelglied
zwischen dem SoneLLband und einer größeren Erzählung erwcist. Der Mensch
LriLL in die Landschaft, aber notwendig, nicht als Staffage; ein „physisch-
metaphysischer Zickzackfahrer", dessen Maxime hier wie künftig „spertum
6886 U666886" (lebensoffen zu sein gill es!) lautet.

92ichL von ungefähr handell es sich um Wandererlebnisse; auch hier wird
die LandschafL nach ihren KräfLen erkannt in einem beachtenswerten Gefühl
des zur VeranLworLung verpflichteten BetrachLers. „Stets war es ihm Bedürf-
nis gewesen, sich zunächst zu versichern, ob er selbst ein des Sehens Würdiger
sei; denn er wußte wohl, daß der hinter dem Werk verborgene Gestaller,
mochte er in Stein, Klang, Farbe oder WorL gewirkt haben — keineswegs
gesonnen war, vor jedem Müßiggänger offenbar zu werden und für jeden —
er mochte ihm behagen oder nicht — vernehmlich aus seiuem Werke zu
sprechen". In der Legende sind die Tempi der Episoden wie die Gewichte
der Geschehnisse noch nicht recht ausgewogen und aufeinander abgestimmt.
Die Llmwege sind ost mehr Selbstzweck spintisierfreudigen Fabulierens, als
zur vollen GerundeLheiL der Erzählung Bedürfnis ist. Immerhin, im EnL-

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