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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1932)
DOI Artikel:
Kast, Emil: Julius Zerzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0732

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scheidenden dars schon von dreser Arbeik Zerzers gesagt werden, daß sie
nicht spiHwegisch verniedlichend, schrnllig, sondern im wirklichkeitssrommen
Sinn anch dem kleinsten Dinglichen Verehrnng bezengL; miL Rilkes Wor-
Len aus dem SLundenbuch: „NichLs ist mir zu klein, ich lieb es Lrotzdem,
und mal es aus Goldgrund und groß und halLe es hoch, und ich weiß nichL,
wem löst es die Seele los." Es ist eine das Schassen Zerzers erhellende
Äußerung, wenn von seinem Sebastian-Zohannes gesagL wird, daß er es
nichL liebe, als Problem ausgefaßL zu werden, weil er die Schwäche hege,
lieber als Mensch zu gelLen, dem es nichLs verschlägL, ein Amoralist ohny
System (und ungesährlich) zu sein. — Man dars schon bei dieser ersten
Erzcchlung Zerzers darauf ausmerksam machen (was dann von dem nächsten
Buch in gewichLigerem Ausmaße gilL), wie LandschasL und anwachsendes
Liebeserleben nebeneinanderhergehend schließlich in einem Höheren des Legen-
denhafLen, als das, was er-lesen werden mnß, aus dem Einklang von Schicksal
und Raum in Mmschenseelen, zusammengesügL werden. —

Die bedeuLendste Leistung Iulius Zerzers liegL bis jetzL in seiner nmfänglichen,
erzcchlenden SchrisL „SLifLer in Kirchschlag" vor, znm Besten gehörend, was
in den letzLen Iahren auf dem GebieL deuLscher Erzählungskunst verössentlicht
worden ist. Hier ist der geistige Ahnherr Zerzerö nichL nur Rkame, sondern Ge-
stalL geworden. Aus einer Lief über sedes lr'Lerarhistorische Wissen hinaus ge-
gründeten seelischen VerwandtschafL und geistigen, nichL stosslichen Schüler-
schafL heraus ist die oberösterreichische LandschafL des MühlvierLels und ihr
stammhafL stifterisches Menschentum einer Sprachgestaltung LeilhasLig ge-
worden, die Mensch, Tier, Pflanze, Ding und naLurhafte Atmosphäre „ein-
fach gibL" in „stellverLretender" SinnträchLigkeiL: sachenfromm wie bei den
großen Realisten der deutschen DichLung, dem älteren Goethe und eben Adal-
berL SLifLer. Es ist so bezeichnend wie selbstverständlich, daß auch diese
erdichtete Episode aus einem Ilrlanb Stifters ein Fahrterlebnis ist, das dem
DichLer in entscheidenden AbschniLLen anf Gängen in den Böhmerwaldvor-
bergen widerfährL. Des Natur- wie Menschseins wird er und werden wir
Leser anf seltsamen Wegen inne: das Schicksal ergehL sich sozusagen an den
Figuren und in den Figuren. StifLer haL keine Schule gebildeL, und miL
Rkachahmnng seiner StileigenLümlichkeiLen ist gar nichts getan. Auch hier
ist es nnr der Geist, der lebendig macht nnd lebendig überzengL. NichL die
Regeln, sondern stifterscher Sinn ist in Iulius Zerzer auf eine eigene Weise
Wirkung geworden. Es ist dieselbe Liebe, die die LandschafL wie die Tiere, im
„Iohannes" einen Rkeufundländer, Pferde, ein Rebhuhn, in der StifLererzäh-
lung des SchulraLs HundeLrio, das Pferdegespann, die Hauskatze, das Häs-
chen, die Lerchenschwärme, die Mehherden wichtig nimmL; die dem alltäg-
lichen Hausgerät wie dem Kultgebild eines Altars und Kirchenraums oder dem
gestirnten Himmel und nachsommerlichen Wäldern und FeldbreiLen an der
und jener Stelle (und keiner andern!) liebevoll ernsthafL wichtig einen ord-
nungsmäßigen Raum überläßL. Fein werden ohne alle fade und falsche Ver-
menschlichnng die Tiere in die Begebnisse nnter den Menschen verstehend ein-
bezogen. Wie der Iohannes-Faust, so ist dieser Zerzersche Stifter oder der
abseitige Ilhrmacher ein wenig in sich selbst versponnen und empfindeL das
als eine nichL lastlose Bürde. NichL aus erworbenem Wissen, nur aus

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