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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1932)
DOI Artikel:
Kast, Emil: Julius Zerzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0733

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selbstversiändlichem innern Haben kann das sonderbare Menschtum Stifiers
so ohne alles historisierende Kostüm zeitlos gültig unanfdringlich dargestellt
werden. Ein Reichtum im Ausdeuten Stifterschen Schafsens und Wefens
fließt in nebensächlichen Bemerkungen, der bewundern macht und rückstrahlend
zur Beleuchtung Zerzerschen Schaffens beiträgt. Manchmal referiert Zerzer
wie Stifter mit leicht erhobenem, unterstreichendem Zeigefinger, und in roman-
Lischer Erzählertechnik wird mit subtiler Ironie Literaturhistorie mit dichke-
rischer Menschenbetrachtung mischend vor- und zurückgedeutet und der objektive
Bericht mit subjektiven „Anmerkungeu" (wieder im Goetheschen Wort-
gebrauch gemeint) belebt. Es findeu sich Deutungen künstlerischer Werk-
Lätigkeit, welche die Erkenntnis Zerzers wie Stifters vertiefen: „Glaubt mir,
meine schlichten Arbeiten wollen nur eine Llndeutung dessen sein, was GoLL
unendlich gewaltiger, aber freilich nicht zu allen Stunden vernehmlich, in
seinen Dingen selbst ausgesprochen hat. Eigentliche Kunstgeheinmisse gibt es
nicht. Man möchte es denn für etwas Unergründliches ansehen, daß es uns
vergönnt und vorgezeichnet ist, jenen Herrlichkeiten zu lauschen." „Es geht
mit einem Manuskript wie mit allem, was ins Leben will.... Da geht nun
dieses angefangene Werk vielleicht in die Jrre, oder es ist in Gesahr, an
einem Hindernis zu zerschellen, und an mir liegt es, ihm die Gefahr aus dem
Wege zu räumen, denn in andere und leichtere Bahnen lenken kann ich es
nicht. Wer doch die Gleichgültigkeit eines elenden Skribenten hütte! Aber
das wäre freilich auch nichts für mich. Was sollte auch dem der Teufel nützen,
der sich in den Kopf gesetzt hat, den lieben Gott im Widerschein des Geschaf-
fenen darzustellen." „Was ich sagen will, ist einzig dies: daß man einer guten
Kunst einen guten, ja den besten Handwerksstoff nicht mißgönnen soll; wie
denn auch der Schriftsteller nichts Dauerhaftes zustande bringt, dem es
nicht an einer ausgereiften, dichten Sprache vor allem gelegen ist." „Mel-
leicht ist dies überhaupt das Schicksal der Priester und der Künstler: sie
schöpfen aus ihrer Bedürftigkeit, aber sie schöpfen nicht für sich und bleiben be-
dürftig. 2luch so ist es gut. Auch dies ist ein Schicksal, das Gott denen
bereitet, welche er liebt."

Dem Berggänger und Talbefahrer kann natürlich die Bedingtheit des mensch-
lichen Gewimmels nicht verborgen bleiben, und so ist diesen Erzählungen ein
gutes Teil Schalktum und offener Spott beigemischt; das gilt in besonderem
Maße von dem reizvollen Landschastsmärchen aus dem Traungebiet Ober-
österreichs „Die Geschichte von der Nixe Iocosa und dem schweigsamen
Prinzen"*. Auch hier ist es wiederum artbezeichnend, gelegentlich eines
Spazierritts, straßab querfeldein durch die erlenbestandenen Ikiederungen der
Traun und der Donauauen, daß in solchem Einklaug der Held der Geschichte
ein launiges Kapitel gelesen bekommt. Hier war recht eigentlich die ver-
Lräumte Anmut der Landschaft das Treibende, das ben Dichter Vermochte, ein
farbenschillerndes Gespinst gleich einem betauten Spinngewebe an den über-
sonnten Ästen zu befestigen. Wiederholt charakterisiert Zerzer gerade seine
Frauen als mit einer gehaltenen Anmut begabt; und gehaltene Anmut eignet
auch seiner Sprache, deren dingdienende Klarheit abwechslungsvoll durch offen-

* Kuristwart ^2 Jg. lZ2g , Heft n.

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