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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 12 (Septemberheft 1932)
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Ullmann, Hermann: Vom Volk zur Nation
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0846
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Auch die westeuropäischen Rkakionen sowie die neuen Nakionen Außen-
europas, Amerikas und Rußlands, sind unkereinander strukkurell sehr ver-
schieden. 2lber mik uns verglichen ist ihnen eines gemeinsam: ihr Gemein-
schasksbewußksein beruhk aus einem sehr starken Gesühl eines gemeinsamen
scharsumgrenzken Raumes und hak sich zugleich mik dem Skaaks-
bewußksein enkwickeln können, und zwar in einer so engen Verschmel-
zung, daß der westliche Begriss der Nakion geradezu idenkisch ist mik dem
der „Skaaksnakion", der das vorige Iahrhunderk beherrshk hak. Das „Na-
kionalikäksprinzip", also „die Anschauung, daß der Skaak seiner Idee nach
mchks anderes sei, als die polikisch unabhängig gewordene Rkakion, und daß
darum jede Rkakion, wenn ihre Enkwicklung enksprechend weik sorkgeschritten
sei, nokwendig danach strebe, sür sich einen Skaak zu bilden", hak noch den
Welkkrieg enkschieden, ist aber schon im Versailler Frieden und seinen Aus-
wirkungen gescheikerk.

2lus der Geschlossenheik und Skaaksverbundenheik des westeuropäischen Na-
kionbegrifses solgk dann auch, daß das Geschichksbewußksein dieser Rkationen
sich aus sehrwenige ganz große geschichkliche Erlebnisse beziehk,
die das Ganze der Rkakion ersüllen, und zwar als Massenempfindungen,
die sich zwanglos nach 2luslösung der alken organischen Bindungen, also
nach dern Schwinden des eigenklichen BolksbewußLseins, in Massenbewe-
gungerr modernen Skils, wie sie durch die Großstadk, die Technik und die
Skeigernng des Werkehrs bedingk sind, umsetzen. Das Nukionalbewußtsein
dieser Bölker, auss engste verbunden nichk nur mit der Sprache, sondern auch
nrik einer staaklichen Idee, gehk vom Ganzen aufs Einzelne.

Das deuksche Einheiksbewußksein ist volksmäßiger. Es gehk vom Einzelnen
auss Ganze. Es bauk sich ans einzelne „Inkegrakionsscckkoren" aus (nur in
Deukschland konnke der Smendsche Begrifs der Inkegration enkstehen), es
gehk vom Skamm auss Bolk, vom Dr'alekk auf die Sprache, vom Heimak-
gedanken auf Deukschland, von vielen verschieden gewerkeken geschichtlichen
Erlebnissen aus eine gemeinsame Bergangenheik und Zukunfk, von reprä-
senkakiven Persönlichkeiken und Kulkurleistungen zur Kulkurgemeinschask. Der
Ranm, ans den sich das deuksche Einheiksbewußksein beziehk, ist nichk sest nm-
grenzk, namentlich im Osten und Südosten sließen die Grenzen. Nckr so ist
es zu erklären, daß unser Einheiksbewußksein, das als Erlebnis nichk ange-
zweiselk werden kann, jeder begrifflichen Ersassung spokkek und doch immer
wreder dazu reizk. Die Frage: Was ist deuksch? läßk sich in die Tonark
keines anderen Volkes kransponieren. Bor den Forderungen des Einheits-
bewußkserns wirkt das Parkikulare, sobald es sich gegen das Ganze organi-
sierk, durchcms als Sünde. Es ist andererseiks sogar im Politischen als Ten-
denz zur Selbstverwalkung durchaus unenkbehrlich zum 2lusbau des deutschen
Gemeinschasksbewußkseins.

Heuke gilk noch: nur soweik sich dreses deutsche Gemeinschasksbewußksein aus
den Landschasken aufbauk, rst es bis ins letzke lebendig und verpflichkend.
Hier liegk die Ursache, warum alle Bemühungen um die Festigung des
RkakionalbewußLseins in Deukschland nichk ohne konservakive Tendenzen ans-
kommen, die sreilich dann aus Widerspruch leichk ins Romankische abschweisen,
und warum selbst modernste nakionalißische Massenbewegungen, die längß

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