wcchlbekannt und hochgeschützt, von Hans Olde dagegen besas;
man noch immer nickch den wahrhaft kräftigcnden und befeftigen-
den Eindruck. Nnn aber hat er frei hervorgcbracht, was cr
vermag, mit seiner „Wintersonne". Olde lebt in einem ver-
schwicgenen Winkel Holsteins, in einem Landftriche, den er fnr
die Kunst recht eigentlich entdcckt hat. Das Klima ift kühl
und sonderbar, und für die künstlerische Gestaltung nicht ebcn
leicht zu bezwingeu. Man muß dort schon in die Natur
gleichsam hineiuschlüpfeu und darin verschwinden. Olde hat
die kristallhelle, farbigc Klarheit des Holsteiuischen Winters
deutlich empfunden und naiv wiedererzeugt. Eine berauschende
Helle, die die erwachende Sonne durch deu starren Frühnebel
des schnecigen Tages sprengt. An Baum und Stranch und
iveiter auf der weißen Decke des Feldes glitzern diamantene
Eisschichten in verhattenem Lichte. Das ift mit wahrhaft
feuriger Keckheit aus der satten Farbe herausgeholt! Merk-
würdige Erscheinungen das! Jn hibernischer Kälte, da andere
Menschen znsammenschaudern und fich kaum regen können,
steht solch ein malender Schwärmer rüstig nnd warm schaffend
vor der Natur, als wüßten Hände und Füße nichts vom Frieren.
Wührend Peter Behrens mit verwandter Jntensitüt
in das Spiel des Sonnenlichtcs sich vertieft und mit t'ühnep
Farbe es fesselt, wie es beim Untergange rotglühend mit den
ticfen roten Töucn der frisch aufgestricheneu Schiffskörper im
stärksten Fortissimo zusannnen klingt, stcllen Benno Becker,
Otto Eckmann nnd Adelbert Niemeyer ihre belebende
Farbe in den Dienst einer subtileren, breiteren Naturempfindnng.
Niemcyer und Eckmann, sic malen die Melancholie der Haide-
länder, wclliger Gcbicte, deren brauner Ton so sanft ans Herz
greift. Bolles Licht, das über die Fläche nur so wogt und
streift oder der Abendfrieden. Den Schottcn haben diese
Beiden Wesentliches zu dankeu: Der Wagemut Anderer be-
freite ihr gebnndenes Gefühl für die poetisch-stille Wirklichkeit.
Niemeyer ist der uaivere: Seine stumpfe Greisin in kalter,
blau getünchter Stube wirkt rühreud durch die unbewußte
Stimmnng, die der Künstler in dieses fchlichte Stück Erden-
leben brachte, indessen Eckmanns „todmüdes Bettelweib", das in
nüchtlichcm Grau auf Ler Wauderung zusammengesunken ist,
durch cine Note beabsichtigter Tragik den reinen Natureffekt trübt.
Einer, der unverdrossen an sich bildet und immer tüchtigere
Arbeit weisen kann, das ist Benno Becker. Mit der Ruhe
des Ostpreußen, dringt er beharrlich durch die malerischen
Offenbarungen der Natur, mehr gleitend als schreitend. Er
studirt das Zwielicht, die zersließcnden Tönc der festen Dinge.
Duftig-blaucr Schnceabend, am Horizonte ein Streifchen Rot
— wenige Tannen ein Stückchen Zaun: ans der weißcn
Decke lugt ein kleiner grüuer Büschel -- diese winzige Einzel-
heit verstärkt die weiche Stimmung. Unter Mühen, doch mit
entschiedenem Erfolge kommt anch Leo Samberger herauf,
der so echtc und seelisch belebte Frauenbildnisfe malt. Er ist
nicht Jedermauns Freund, denn ihm ist es uicht um banale
Hübschheit zu thun. Er sncht immer nur einen Charakter.
Anch ist er, ivas die Form, Lie äußerliche, betrisft uicht gar
peinlich bedacht auf sogeuaunte Vollstündigkeit. Hat er seinen
eigentümlichen Zwcck impulsiv erfüllt: das innere Leben des
Modells hervorzukehren, so glaubt er sich als Künstler fertig
mit der Aufgabe. Auf dicse Art ist er weitaus gewissenhafter
als hundert seiner „sorgfältigen" Kollegeu. Wie er eiu Kenner
des Gemütes ift Ler geistvolle R e inhold Lepsius, der soust
eine lveichere, man möehte sagen: gewinnendere Farbe liebt. Er
hat keine Ecken, und er arbeitet sehr beschaulich vor der Natur.
Er belauscht seiue Modelle und studirr sie uugemein schars,
nm die klarste Anschaunng zu gewiuneu. Dem Damenbilduis,
das er jetzt ausstellte, verknüpfte sich der Plan, die Figur im
vollen Raume wiederzugeben. Der Körper tritt in ruhig
schwingendes Licht, das durch eineu dämpfeuden Borhang
bricht; das Haupt der fcincn, nachdenklichen Weltdame „sitzt"
prüchtig in der Luft. Persönlichkeit wie Umgebung sind aus
einen überaus anheimelnden, vertraulichen Ton gestimmt, einen
Ton, den ebenfalls Louis Corinth sucht, der forsche, un
nachdenklich zuschlagende Kolorist. Die Erscheinung des vier
schrötigen Mannes, die er reproduzirt, ist sehr keck und frisch
hingestrichen. Auch hier Halbdunkel und zurückgehaltenes
Sonnenlicht.
Dieses wäre das Geschlecht unserer Hoffnungen, — eine
stattliche Reihe, wie sic, von Paris abgesehen, keine Kunststadt
der Welt aufzustellen vcrmag. Die Leistungen der Münchener
Fortschrittler kennzeichnen sich durch entschiedene und gleicb
mäßige Giite. Aber die rüstigen Künstler sind ja wvhl uicht
niehr „Münchener" im lokalen Sinne des Wortes. Sie werdcn
bald „Dresdener" oder „Berliner" sein. Seit ich die ersten
Berichte schrieb, — Niemandem zu Liebe und Keinem zn
Leide, — ist der Sezessionisten erzwungener Abfall vom
alten deutschen Kunstzentrum erfolgt. Dafür mag sich das
Laud Bayeru bei dem Kultusmiuifter von Müller bedanken,
der an dcr Wiege dieses Ereignisses gestanden hat. Er hat die
Sezessionisten etwa so zum Bleiben genötigt, wie wenn man
einen Gast dadnrch zurückzuhalten suchte, daß man ihm den
Stuhl unter dem Leibe fortzieht. Es soll nicht davon ge
sprochen werden, wie dokumeutarisch verbürgte Zusageu einfack,
nicht ersüllt worden, auch uicht davon, daß der letzte Regicr
nngserlaß au die Sezessionisten in einem Tvne gehalten war,
der in Kunstfragcn bisher noch nicht vernommen worden -
Der einzige mildernde Ilmstand, der das Vorgchen des Herrn
von Müller begleitet, ist die vollendete, fast naive Unkenntnis
in allen Verhältnissen und Ansprüchen der ernsten Kunst. Des
Kultusministers berühmter Vorgänger hat sich in der poli-
tischen Geschichte des Landes verewigt; ob Herr von Müller
dieses Ziel erreichen wird, mag dahingestellt sein — kundige
Leute aus Theben bezweifeln es; in der deutschen Kunst-
geschichte aber wird er jedenfalls zn einer Stellung gelangen :
ob man ihn darum beneiden kann, darüber werden seine lllach
fahren einst am besten entscheiden. Draußen wird überdies
seine Handlungsweise kaum begriffen werden. Was haben die
Sezessionisten denn verlangt? Ein eigenes Plätzchen iu dem
„Glaspalaste", auf den, außer dem König, der ihn besitzt,
keine Behörde, keine Jnstitution, keine Vereinignng, kein ein-
zelner Mensch irgend welchen begründeten und daueruden An
spruch hat. Nur dem Bittendeu kann das Haus zu zeit-
weiliger Benutzung überlassen werden. Heute stellen dort die
Gürtncr aus, morgen die Obstzüchter, übermorgen die bildeu-
den Künstler, und wenn eines Tages die ehrsame Zunft der
Leimsieder kommt als Peteut, so wird man ihr den „Glas-
palast" billiger Weise nicht verweigern können. Also auch die
Münchener Kilnstlergenossenschaft, weder die ganze noch die
dezimirte, fußt auf irgend welchem Sonderrechte. Nur wer
dem Besitzer mißliebig ist, darf auf ein Entgegenkommen nicht
bäuen. Wodurch aber hätten sich die Sezessionisten der Regier-
ung mißliebig gemacht? Dadurch, daß sie Talent haben?
Freilich ein großes Unglück; dem ist aber nun einmal uicht
abzuhelfen. Haben sie sich etwa gegen den Staat als solchen
vergangen? Oder verlangen sie materielle Unterstützung,-
Medaillen usw. ? Keineswegs. Die „Münchener Künstler
genossenschaft" ist kein staatliches Jnstitut, sondern ein Pro
dukt der Selbstverwaltuug; die Regierung hat es immer ab
gelehnt, auf deu administrativen Betrieb irgend welchen Eiu
fluß zu nehmeii. Die Künstler sollten auf sich selbst stchen.
Was dem Ganzen recht ist, das müßte den Teilen billig sein.
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man noch immer nickch den wahrhaft kräftigcnden und befeftigen-
den Eindruck. Nnn aber hat er frei hervorgcbracht, was cr
vermag, mit seiner „Wintersonne". Olde lebt in einem ver-
schwicgenen Winkel Holsteins, in einem Landftriche, den er fnr
die Kunst recht eigentlich entdcckt hat. Das Klima ift kühl
und sonderbar, und für die künstlerische Gestaltung nicht ebcn
leicht zu bezwingeu. Man muß dort schon in die Natur
gleichsam hineiuschlüpfeu und darin verschwinden. Olde hat
die kristallhelle, farbigc Klarheit des Holsteiuischen Winters
deutlich empfunden und naiv wiedererzeugt. Eine berauschende
Helle, die die erwachende Sonne durch deu starren Frühnebel
des schnecigen Tages sprengt. An Baum und Stranch und
iveiter auf der weißen Decke des Feldes glitzern diamantene
Eisschichten in verhattenem Lichte. Das ift mit wahrhaft
feuriger Keckheit aus der satten Farbe herausgeholt! Merk-
würdige Erscheinungen das! Jn hibernischer Kälte, da andere
Menschen znsammenschaudern und fich kaum regen können,
steht solch ein malender Schwärmer rüstig nnd warm schaffend
vor der Natur, als wüßten Hände und Füße nichts vom Frieren.
Wührend Peter Behrens mit verwandter Jntensitüt
in das Spiel des Sonnenlichtcs sich vertieft und mit t'ühnep
Farbe es fesselt, wie es beim Untergange rotglühend mit den
ticfen roten Töucn der frisch aufgestricheneu Schiffskörper im
stärksten Fortissimo zusannnen klingt, stcllen Benno Becker,
Otto Eckmann nnd Adelbert Niemeyer ihre belebende
Farbe in den Dienst einer subtileren, breiteren Naturempfindnng.
Niemcyer und Eckmann, sic malen die Melancholie der Haide-
länder, wclliger Gcbicte, deren brauner Ton so sanft ans Herz
greift. Bolles Licht, das über die Fläche nur so wogt und
streift oder der Abendfrieden. Den Schottcn haben diese
Beiden Wesentliches zu dankeu: Der Wagemut Anderer be-
freite ihr gebnndenes Gefühl für die poetisch-stille Wirklichkeit.
Niemeyer ist der uaivere: Seine stumpfe Greisin in kalter,
blau getünchter Stube wirkt rühreud durch die unbewußte
Stimmnng, die der Künstler in dieses fchlichte Stück Erden-
leben brachte, indessen Eckmanns „todmüdes Bettelweib", das in
nüchtlichcm Grau auf Ler Wauderung zusammengesunken ist,
durch cine Note beabsichtigter Tragik den reinen Natureffekt trübt.
Einer, der unverdrossen an sich bildet und immer tüchtigere
Arbeit weisen kann, das ist Benno Becker. Mit der Ruhe
des Ostpreußen, dringt er beharrlich durch die malerischen
Offenbarungen der Natur, mehr gleitend als schreitend. Er
studirt das Zwielicht, die zersließcnden Tönc der festen Dinge.
Duftig-blaucr Schnceabend, am Horizonte ein Streifchen Rot
— wenige Tannen ein Stückchen Zaun: ans der weißcn
Decke lugt ein kleiner grüuer Büschel -- diese winzige Einzel-
heit verstärkt die weiche Stimmung. Unter Mühen, doch mit
entschiedenem Erfolge kommt anch Leo Samberger herauf,
der so echtc und seelisch belebte Frauenbildnisfe malt. Er ist
nicht Jedermauns Freund, denn ihm ist es uicht um banale
Hübschheit zu thun. Er sncht immer nur einen Charakter.
Anch ist er, ivas die Form, Lie äußerliche, betrisft uicht gar
peinlich bedacht auf sogeuaunte Vollstündigkeit. Hat er seinen
eigentümlichen Zwcck impulsiv erfüllt: das innere Leben des
Modells hervorzukehren, so glaubt er sich als Künstler fertig
mit der Aufgabe. Auf dicse Art ist er weitaus gewissenhafter
als hundert seiner „sorgfältigen" Kollegeu. Wie er eiu Kenner
des Gemütes ift Ler geistvolle R e inhold Lepsius, der soust
eine lveichere, man möehte sagen: gewinnendere Farbe liebt. Er
hat keine Ecken, und er arbeitet sehr beschaulich vor der Natur.
Er belauscht seiue Modelle und studirr sie uugemein schars,
nm die klarste Anschaunng zu gewiuneu. Dem Damenbilduis,
das er jetzt ausstellte, verknüpfte sich der Plan, die Figur im
vollen Raume wiederzugeben. Der Körper tritt in ruhig
schwingendes Licht, das durch eineu dämpfeuden Borhang
bricht; das Haupt der fcincn, nachdenklichen Weltdame „sitzt"
prüchtig in der Luft. Persönlichkeit wie Umgebung sind aus
einen überaus anheimelnden, vertraulichen Ton gestimmt, einen
Ton, den ebenfalls Louis Corinth sucht, der forsche, un
nachdenklich zuschlagende Kolorist. Die Erscheinung des vier
schrötigen Mannes, die er reproduzirt, ist sehr keck und frisch
hingestrichen. Auch hier Halbdunkel und zurückgehaltenes
Sonnenlicht.
Dieses wäre das Geschlecht unserer Hoffnungen, — eine
stattliche Reihe, wie sic, von Paris abgesehen, keine Kunststadt
der Welt aufzustellen vcrmag. Die Leistungen der Münchener
Fortschrittler kennzeichnen sich durch entschiedene und gleicb
mäßige Giite. Aber die rüstigen Künstler sind ja wvhl uicht
niehr „Münchener" im lokalen Sinne des Wortes. Sie werdcn
bald „Dresdener" oder „Berliner" sein. Seit ich die ersten
Berichte schrieb, — Niemandem zu Liebe und Keinem zn
Leide, — ist der Sezessionisten erzwungener Abfall vom
alten deutschen Kunstzentrum erfolgt. Dafür mag sich das
Laud Bayeru bei dem Kultusmiuifter von Müller bedanken,
der an dcr Wiege dieses Ereignisses gestanden hat. Er hat die
Sezessionisten etwa so zum Bleiben genötigt, wie wenn man
einen Gast dadnrch zurückzuhalten suchte, daß man ihm den
Stuhl unter dem Leibe fortzieht. Es soll nicht davon ge
sprochen werden, wie dokumeutarisch verbürgte Zusageu einfack,
nicht ersüllt worden, auch uicht davon, daß der letzte Regicr
nngserlaß au die Sezessionisten in einem Tvne gehalten war,
der in Kunstfragcn bisher noch nicht vernommen worden -
Der einzige mildernde Ilmstand, der das Vorgchen des Herrn
von Müller begleitet, ist die vollendete, fast naive Unkenntnis
in allen Verhältnissen und Ansprüchen der ernsten Kunst. Des
Kultusministers berühmter Vorgänger hat sich in der poli-
tischen Geschichte des Landes verewigt; ob Herr von Müller
dieses Ziel erreichen wird, mag dahingestellt sein — kundige
Leute aus Theben bezweifeln es; in der deutschen Kunst-
geschichte aber wird er jedenfalls zn einer Stellung gelangen :
ob man ihn darum beneiden kann, darüber werden seine lllach
fahren einst am besten entscheiden. Draußen wird überdies
seine Handlungsweise kaum begriffen werden. Was haben die
Sezessionisten denn verlangt? Ein eigenes Plätzchen iu dem
„Glaspalaste", auf den, außer dem König, der ihn besitzt,
keine Behörde, keine Jnstitution, keine Vereinignng, kein ein-
zelner Mensch irgend welchen begründeten und daueruden An
spruch hat. Nur dem Bittendeu kann das Haus zu zeit-
weiliger Benutzung überlassen werden. Heute stellen dort die
Gürtncr aus, morgen die Obstzüchter, übermorgen die bildeu-
den Künstler, und wenn eines Tages die ehrsame Zunft der
Leimsieder kommt als Peteut, so wird man ihr den „Glas-
palast" billiger Weise nicht verweigern können. Also auch die
Münchener Kilnstlergenossenschaft, weder die ganze noch die
dezimirte, fußt auf irgend welchem Sonderrechte. Nur wer
dem Besitzer mißliebig ist, darf auf ein Entgegenkommen nicht
bäuen. Wodurch aber hätten sich die Sezessionisten der Regier-
ung mißliebig gemacht? Dadurch, daß sie Talent haben?
Freilich ein großes Unglück; dem ist aber nun einmal uicht
abzuhelfen. Haben sie sich etwa gegen den Staat als solchen
vergangen? Oder verlangen sie materielle Unterstützung,-
Medaillen usw. ? Keineswegs. Die „Münchener Künstler
genossenschaft" ist kein staatliches Jnstitut, sondern ein Pro
dukt der Selbstverwaltuug; die Regierung hat es immer ab
gelehnt, auf deu administrativen Betrieb irgend welchen Eiu
fluß zu nehmeii. Die Künstler sollten auf sich selbst stchen.
Was dem Ganzen recht ist, das müßte den Teilen billig sein.
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