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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0301
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fassen, wenn er von dem dreisten
Mute dieses verstorbenen Beruss-
genossen hört. Ich kann ja nicht
gewiß versprechen, ob er dann schon
bei Lebzeiten zum Original beför--
dert werden wird. Aber nach sei-
nem Tode sicherlich in allen Ehren.

Eugen Kalkschmidt

Lohnämter

er Arbeitsvertrag kommt nach
der Vorstellung des deutschen
Gesetzgebers so zustande: auf der
einen Seite der freie Unternehmer,
auf der andern der freie Arbeiter,
beide einigen sich im Vertrag über
den Lohn und die Arbeitsbedingun-
gen. In Wirklichkeit aber sagte der
Arbeitgeber: ich brauche soundso
viele Leute für den und den Lohn,
und die Arbeiter mußten zufrieden
sein mit dem, was sich ihnen bot.
Als sie sich organisierten und damit
das Machtmittel des Streiks plan-
voll anwenden lernten, kehrte sich
das Verhältnis um: die Arbeiter
diktierten den Vertrag, und die
Unternehmer mußten es zusrieden
sein. Lrst als sich auch die Unter-
nehmer organisierten, konnte in
Wahrheit von einem „Vertrag" die
Rede sein, aber nicht von dem
individuellen Vertrag der Gewerbe-
ordnung, sondern von dem zwischen
zwei Parteien: Tarifverträge. Aber
diese Olschicht über dem Meer des
Lohnkampfes ist nur dünn, kommt
ein großer Sturm, so zerreißt sie,
und die Wogen gehn so hoch wie
vorher. Da hilft schließlich nur die
gesetzliche, rechtsverbindliche
Regelung der Löhne: das Lohnamt.
Es ist das letzte Glied dieser Ent-
wicklung.

In Australien und England ist
man hierbei angelangt. In diesen
Ländern liegen also schon eine An-
zahl praktischer Ersahrungen vor:
das einzige, das Gründe für oder
gegen eine solche Linrichtung ab-
geben kann. Äber die englischen

Erfahrungen schreibt Käthe Gae-
bel in der „Sozialen Praxis".
Man hat drüben die Sache an-
gegriffen mit dem für die Eng-
länder so charakteristischen Ver-
trauen aus die Kraft des
Volkes. Man wollte nichts
„machen", sondern Möglichkeiten zu
natürlichem Wachstum geben. Da-
her knüpfte man mit bemerkens-
werter Unbesangenheit an die vor-
handenen Organisationen der Ar-
beiter an. „Von ausschlaggebender
Bedeutung für das Gelingen des
Experiments war es, daß sich die
Regierung aus die Organisationen
stützte, in klarer Lrkenntnis, daß
eine wirkliche Besserung der Ver-
hältnisse nur zu erreichen ist, wenn
es glückt, die Lnergie der Arbeiter-
schast selbst zu wecken. Nur aus
diesem Fundament erschien es mög-
lich, ein solides Obergebäude zu er-
richten, das den praktischen Lebens-
bedürfnissen der verschiedenen In-
dustrien angepaßt war."

Die Lohnämter werden paritätisch
zusammengesetzt: Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sind in gleicher An-
zahl vertreten. Soweit genügend
ausgebaute Organisationen vorhan-
den sind, werden die Vertreter ge-
wählt; soweit nicht, werden sie
vom Handelsamt ernannt. Aber
ernannt nach Anhörung der Vor-
schläge von seiten der Interessenten.
Man will eben auch damit zur
Organisation anregen, durch die
allein ja wirklich die besten vor-
handenen Kräste an die Spitze ge-
langen können. Merken doch die
Arbeiter bald, wie sehr die Fest-
setzung der Löhne in den Verhand-
lungen von der Tüchtigkeit ihrer
Vertreter abhängt. Die Abstim-
mung erfolgt entweder durch Einzel-
abstimmung oder durch Partei-
abstimmung (Gruppe gegen Gruppe),
letzteres ist die Regel. Erfolgt in
diesem Falle keine Einstimmigkeit,
so gibt der Vorsitzende den Aus-
 
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