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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0302

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schlag. So enthalten die Entschei-
dungen freilich oft den Charakter
einer Lohnf estsetzung anstatt
eines Äbereinkommens. Aber
diese Festsetzung hat gegenüber
einem völlig einseitigen Verfahren
immer noch den Vorteil, daß sie
nach perfönlichem Anhören alles
Für und Wider erfolgt. Line
eigentümliche Mischung von Demo-
kratie und Autokratie! Die Orga-
nisation der Lohnämter und die
Abstimmungsweise weist die verschie-
densten Formen auf je nach den
praktischen Erfordernissen, der Gesetz-
geber legte Wert auf einen mög-
lichst weiten Spielraum. Hier zeigt
sich das Gefühl des Engländers für
allmähliches geschichtliches Wachs-
tum im Gegensatz zu der deutschen
Neigung zu allgemeinen Formen
aus Grund abstrakter Begriffsent-
wicklungen.

Und der Lrfolg der englischen
Lohnämter? Zunächst Zunahme und
Festigung der Organisationen, auch
unter den Heimarbeitern. Ferner
eine allgemeine Steigerung der
Löhne in den betreffenden Indu-
strien, dabei aber auch nicht selten
eine Herabsetzung der Löhne. Ls
wohnt also „der staatlichen Lohn-
regelung ein biegsames Moment
inne, die Möglichkeit, innerhalb
eines gewissen Rahmens sich den
gegebenen Konjunkturen anzupas-
sen". Eine Verteuerung der Pro-
duktion trat nicht ein; denn „der
Iknternehmer ist den erhöhten Löh-
nen durch Verbesserung der Technik
und (in gewissen Industrien) der
Ausschaltung des Zwischenmeister-
wesens begegnet". Nachdem man
die Einrichtung auf einigen Ge-
bieten erprobt hatte, ist sie kürzlich
auf fünf neue Gewerbe ausgedehnt
worden. Die Organisation der
Meister des Londoner Bäckergewer-
bes hat geradezu eine Einbeziehung
ihres Gewerbes unter das Gesetz
erb eten.

Amerika schreitet gleichfalls zu
einer gesetzlichen Lohnregelung fort.
In Frankreich und Osterreich ist
man zu bestimmten Regierungsvor-
schlägen sür die Parlamente gelangt.
Wir aber zögern, weil wir Gesetze
gar zu sehr als einmalige, seste
Einrichtungen empfinden und nicht
als Saatkörner geschichtlicher Ent-
wickelungen, aus denen eine Fülle
von Formen, je nach Boden und
Klima verschieden, emporsprießen
können.

Anzeigen als Anzeichen 21

Als Karte:

ver Kaiserroman

„Oie nickt lieden ilürken"

von X. X. X.

Vom Kannegießern

ie saßen am Stammtisch, zwei
Iahre ist's her, und der da die
Geister lenkte unter den Bürgern,
der sprach: „Dieser Zar Ferdinand
mit der großen Nase ist eine Art
Hochstapler. Bismarck hat seinem
Vorgänger gesagt: eine angenehme
Lrinnerung wird's Ihnen mal sein
— aber natürlich: trotzdem! Fürst,
König, Zar, das glaub ich ja auch,
da läßt einer was springen! Er
hat's ja dazu. Nnd die Koburger —
überall verschwägert, also die Bul-
garen, die können den brauchen.
Bei den Hösen herumscharwenzeln
soll er. Die Bulgaren! Schlawiner
wie die andern, ha ja: Hammel und
meinshalb Poghurt. Mir kann das
nicht imponieren."

Sie saßen wieder am Stammtisch,
ein Iahr war's später, und der
Führer der Mannen sprach: „Das
ist ein Kerl! Sein eigener Kanzler,

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