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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1913)
DOI Artikel:
Richter, Georg Martin: Meisterwerke des Kunstgewerbes
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Ullmann, Hermann: Vom Deutschtum in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0602

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Generationen überlassen, zu entscheiden, welchen Arbeiten der Gegenwart
sie den Ehrentitel „Meisterwerk" verleihen will.

Georg Martin Richter

Vom Deutschtum in Österreich

wissen von den solgenden Tatsachen die Deutschen im Reich?

V HDie Stadt Prag folgt dem Lande Böhmen in ihrer Weise nach und
kommt unter Kuratel. Sie muß bereits mehr Zinsen für Schulden
bezahlen als ihre jährlichen Linnahmen betragen. Die Banken leihen
nur mehr gegen unerhört hohe Prozente und versagen neuerdings auch
wohl ganz; selbst die in ihren Geschäften sonst gar nicht so ängstlichen
tschechischen Banken. Der Regierungskommissär, diese neuerdings sür Öster-
reich typisch werdende Gestalt, taucht also auch in Prag auf und muß in
Ordnung bringen (vermutlich auf Staatskosten), was die Selbstverwal--
tung heillos verfahren hat. Erläuterungen zu der Mißwirtschaft eines
großen, für ein ganzes Volk geradezu repräsentativen Gemeinwesens geben
einige Skandale, die gerade in jüngster Zeit aufgedeckt wurden. Der
tschechische Führer Professor Masaryk durfte in öffentlicher Versammlung
erklären, daß „zehn Diebe" in der Prager Stadtverwaltung säßen! Bei
Grundstückankäufen für die Stadt bereichern sich Stadtväter um Hundert-
tausende auf Kosten der Steuerzahler (auch der deutschen, die völlig rechtlos
sind); das tschechische Repräsentationshaus, diese monumentale Geschmack-
losigkeit, die neben dem Pulverturm recht als ein ohnmächtiger Hohn auf
Prags deutsche Vergangenheit wirkt, hat zwölf Millionen gekostet. Dabei
hat Prag noch heute keine Trinkwasserleitung; wie es denn überhaupt
schwer halten würde, irgendwie den großstädtischen Ausgaben entsprechende
Leistungen der Prager Gemeindeverwaltung, seit sie rein tschechisch ge-
worden ist, nachzuweisen. An sachlicher Arbeit hindert sie schon ihr
Chauvinismus; und nichts ist erfahrungsgemäß ein günstigerer Rährboden
für Korruption.

Wir reden von diesen Prager Zuständen, weil sie etwas Typisches
haben: wo immer Slawen in Österreich nur auf sich selbst gestellt sind,
zeigt sich ähnliches. Eine gewisse Leichtheit in Geldgeschäften liegt ja
wohl im slawischen Temperament, die tschechischen Banken sind noch unter-
nehmungslustig, wo die deutschen längst verzichten. Iedenfalls erwiesen
die Slawen immer wieder ihre Unfähigkeit zur Selbstverwaltung im größeren
Maßstab.

Aber sie sind doch so tüchtig im Aufbau ihrer Minderheiten? Wo
immer erst einmal die slawische Einwanderung in eine deutsche Stadt
begonnen hat, da erstarkt die Kolonie in kurzem wirtschaftlich und sozial
— bis sie etwa gar die Herrschaft im Gemeinwesen an sich reißt.

In der Tat ist diese Minderheitenarbeit eine besondere Stärke der
Slawen; ihr starkes völkisches Fühlen und Bewußtsein befähigt sie zusammen
mit gewissen wirtschaftlichen und sozialen Besonderheiten dazu. Sie werden
dabei auch vielfach von deutschen Schwächen, die nicht zum mindesten aus
der älteren deutschen Kulturüberlieferung kommen, unterstützt. So wachsen
diese slawischen Minderheiten besonders in den Sudetenländern überall
siegreich innerhalb der noch deutschen oder deutsch geleiteten Volkswirtschast
und vielfach innerhalb der deutschen Selbstverwaltungsorganisation empor.
Sie verstehen es auch vorzüglich, die großen Freiheiten, die die österreichische

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