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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
DOI Artikel:
Bestelmeyer, German: Industriebauten und Industrieland
DOI Artikel:
Malzan, E.: "Familientragödien"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0253

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werden, wenn sie diese Kosten auf mehrere Industriewerke verteilen kann.
Man müßte nun einen ganz gewaltigen Vorteil darin erblicken, wenn
die Reservation besonderer Industriegebiete planmäßig erreicht werden
könnte. Das könnte dadurch geschehen, daß Gemeinden oder Genossen-
schaften die Lösnng dieser Aufgaben in die Hand nähmen, indem sie
Gelände, die durch Naturkräfte und Naturschätze, durch günstige Ver--
kehrsverhältnisse und gesunde Lage sowie andere günstige Verhältnisse
für Industrieland geeignet wären, durch entsprechende Anlagen, Wasser-
straßen und Lisenbahnanschlüsse, Kläranlagen usw. für Industrieanlagen
vorbereiteten. Für solche Gegenden, von denen man Industriebauten
fernhalten wollte, könnte die Genehmigung für „Vorbereitung von Industrie-
land" versagt werden. Natürlich müßte verhindert werden, daß etwa
eine wüste Spekulation der Industrie die Ansiedelung auf solchen Plätzen
sinnlos verteuert. Gelänge das, so würden sich die Industriebauten
hier aus eigenem Interesse sammeln, und also sich von selbst von Gegenden
fernhalten, in denen sie unerwünscht wären. Sie würden sich dort an-
siedeln, wo sie günstigere Lebensbedingungen fänden. Auch die Heimat-
schutzbewegung sollte helfen, ihr solche vorzubereiten. Mit dem Grund-
satz des Heimatschutzes, stets positive Mitarbeit zu leisten, wäre das wohl
vereinbar, Erwiese sich der Gedanke als fruchtbar, so würden uns lieb-
gewordene Gegenden unserer Heimat vielleicht besser vor Industrie ge-
schützt, als durch Gesetzesvorschriften. German Bestelmeyer

„Familientragödien"

^^s vergeht selten ein Tag, ohne daß die Tageszeitungen über eine
E^*»erschütternde Familienträgödie" berichten. Die Redaktionen ver-
das in der Regel unter „Lokales und Vermischtes"; da findet
man die trockenen Tatsachen verzeichnet, allenfalls mit einigen gefühl-
vollen Redensarten. Selten wird der Leser zum Nachdenken über solche
Vorgänge angeregt, und wenn doch einmal, so nur um der Eigentümlich-
keiten des einzelnen Falles, nicht um seiner allgemeinen, gesellschaftlichen
Bedeutung willen. Es liegt eben nicht im Wesen der Durchschnittspresse,
sich über Dinge Gedanken zu machen, über die sich die meisten Leser selbst
noch keine machten, vor allem dann nicht, wenn die Menge aus allerlei
Vorurteilen einer Aufklärung über wichtige soziale Zustandsänderungen
widerstrebt.

Die modernen „Familientragödien" haben ihren Grund in der Regel
in wirtschaftlichem Llend. Gewöhnlich suchen Mütter mit ihren Kindern
den Tod, weil sie vor Anterhaltssorgen nicht mehr ein noch aus wissen.
Das Wirtschaftsleben weiß mit Müttern nicht mehr viel anzufangen. Die
Familie als solche bildet fast nur noch im landwirtschaftlichen Klein-
betriebe ein Grundorgan der Wirtschaftsgesellschaft; diese setzt sich sonst
heute aus einzelnen ökonomischen Personen zusammen. Als „ökonomische
Person^ gedeiht aber in der Marktwirtschaft eine Frau um so besser, je
weniger sie Geschlechtswesen ist. Im Wettbewerb um industrielle Arbeits-
stellen werden solche weibliche Personen bevorzugt, die wenig oder gar
nicht durch all jene Störungen, die durch Geburt und Erziehung der
Kinder entstehen, in ihrer Berufsarbeit gehemmt sind. tz. Fechner sagt
einmal sehr deutlich: „Das weiblicher Reize bare Mädchen, das jahr-
tausendelang verstoßen war, hat so an Wertschätzung gewonnen und wird
 
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