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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0278

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Iakobäus (kehrt zurück): Kommt, es ist Zeit, Violäne.

Mara: Geh und bitt für uns.

Violäne (schreiend): Ich schenk dir meine Aussteuer, Mara, und all
meinen Ansprnch!

Brauchst dich kein bißchen zu scheuen, du weißt, ich rührte nicht dran
Und habe das Zimmer nicht betreten.

— Ah, ah! mein armes tzochzeitskleid, mein armes schönes Hochzeitskleid.
(Sie tastet mit den Händen, als snchte sie einen Halt. Alle bleiben ihr
ferne. Sie schwankt hinaus, und Iakobäus folgt ihr.)

Vom tzeute fürs Morgen

Wortkargheit

ls vor kurzem der sranzösische
Ministerpräsident prahlerische
Worte von der nationalen Würde
sagte, um Ungezogenheiten franzö-
sischer Bürger zu decken, hat man
darauf hingewiesen, daß wir dieser
Sorte von nationaler Würde eine
ganz andere Art nationaler Würde
entgegensetzen müßten. Der wunder-
lichen Verlogenheit, vermittels derer
unsre liebenswürdigen Nachbarn es
sertig bekamen, innerhalb weniger
Tage zweimal sich aus Beleidigern
in ungerecht Beleidigte umzudlchten,
hätten wir unsern deutschen Ernst
entgegenzusetzen, der genau nur so-
viel zu sprechen erlaubt, als der
wirkliche Zustand deckt. So hieß es.
Sehr mit Recht, insofern gemeint
war, daß es so sein sollte; aber
leider mit Unrecht, sosern gemeint
war, daß es so i st.

Es ist nicht so, längst nicht mehr
so. Seit einem Vierteljahrhundert
sind wir Schritt für Schritt aus der
deutschen Schwere in die deutsche
Großmäuligkeit hineingekommen, die
einem im Ausland schauderhast auf
die Nerven sällt. Das hat jene Art
von -„Nationalismus" (ich setze die
Anführungszeichen mit Bedacht,
denn ich meine nicht jeden Natio-
nalismus) nun doch fertig gebracht,
die so viele Iahre daran gearbeitet
hat, öin Deutschtum nach
oLtiou-Muster herzustellen.

Diese ewigen Feste, wo nichts zu

feiern war als eine schlimmer ge-
wordene Gegenwart! Diese ewigen
Reden, wo redlicherweise nichts zu
reden war, außer etwa, um die Tat
zu ersetzen! Nnd jedesmal, wenn
nun gar etwas geschah, das Wert
hätte haben können, falls es still
geschah, Tage, manchmal Wochen
lang der Wirbel!

Die Anlässe, bei denen mir das
besonders das Gemüt bedrückte, sind
natürlich sehr zusällige; ich will
trotzdem einige nennen, nur zur
Veranschaulichung:

In einer französischen Kohlen-
grube nahe der deutschen Grenze
war ein Unglück geschehen. Die
Löschmannschaft der benachbarten
deutschen Grube rückte an und hatte
das Glück, einige Menschenleben zu
retten. Brav und besonders brav,
weil so natürlich und, wie es scheint,
auch so natürlich geleistet, als natür-
lich. Aber alsbald der Spektakel
durch alle Blätter vom deutschen
Edelmut und von dem schlichten
deutschen Arbeitsmann, der wie
selbstverständlich auch volkfremdes
Leben rettet, wenn es in Gesahr ist.
Ia, dem deutschen Arbeitsmann war
das, Gott sei Dank, noch selbstver-
ständlich. Weshalb den Zeitun-
gen nicht?

Da kam das Nnglück von Mes-
sina. Es scheint, daß in der Tat die
deutschen Gaben diejenigen andrer
und reicherer Völker geschlagen haben,
insbesondere die verschwindend ge-
 
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