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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: Freideutsche Gesinnung
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Heuss, Theodor: Hermann Kurz
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0335

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dem Hohen Meißner nicht übelgenommen, daß ich Luch scherzend sagte,
was mir Wahrheit schien, laßt mich Euch nun ohne Scherz wiederholen,
was im Kerne doch ernstester Ernst ist. Daß Eure Iugendbewegung von
ganz außergewöhnlicher Bedeutung für unsres Volkes Leben werden
kann, dabei bleibe ich. Aber daß es so ist, ist nicht das persönliche Ver-
dienst irgendeines Linzelnen unter Euch und ist auch weder der „Wander-
vögel" mitsammen, noch der „Erziehungsheime^, noch der „akademischen
Freischaren^ Verdienst. Die Entwicklung der Dinge in Deutschland hat
Lure Bewegung erzeugt, teils, indem sie sie förderte, teils, indem sie
sie als Reaktion hervorrief, und Euch ward das Glück, als Führer
jungen MLnnern von freudigstem Willen, Einsicht, Opferfreudigkeit, Tat-
kraft folgen zu können. Dann habt Ihr eben Eure Pflicht getan, und
habt dabei Eure Freude gefunden. Äberhebung gegenüber Anders-
denkenden und andershandelnden Iugendbünden wäre nicht nur sehr
dumm, sondern schon deshalb schwer von Äbel, weil Ihr ins Große nur
wirken könnt, wenn Ihr früher oder spLter für die andern „bündnM
fähig" seid. Auch ist's ja viel leichter, einen hohen Stand zu er-
reichen, als ihn dauernd zu erhalten. Nur wenn Ihr ihn durch rüstige
Arbeit an Euch selber wahrt, nur dann bleibt Ihr eine Hoffnung. Dann
freilich eine große, Ihr habt das unüberschLtzbare Glück, daß der Stand
der Lulturgeschichtlichen Entwicklung Euch ein hohes Ziel setzt: es
ist so, daß Ihr durch Eure Arbeit Eurem Volk nicht bloß Soldaten in
Heer und Flotte, sondern auch Soldaten im immerwLhrenden Kampf für
Wahrheit und Recht heranbilden könnt. Bleibt dieses Geschenkes der
Geschichte würdig, indem Ihr es nutzt! Dann könnt Ihr zur Kern-
truppe werden eines an Seele und Leib gesunderen deutschen Ge-
schlechts! A

Hermann Kurz

handelt sich nicht davum, daß die Deutschen an diesem schwLbischen
E^Lrzähler wieder einmal „etwas gutzumachen" haben. Das ist eine
^^Äangweilige Phrase; dieses Leben, innerlich zermürbt und fertig,
hat nach Kampf und Entbehrung vor vierzig Iahren einen müden Aus-
gang genommen. Keine noch so laute Feier des hundertsten Geburts-
tages am 30. November verwischt den Eindruck, daß da nichts mehr
„gutzumachen" ist. Die Schöpferkraft von Hermann Kurz ist so buch-
stäblich wie bei kaum einem anderen an der Gleichgültigkeit seiner Zeit
erstickt — er hat in unheimlich typischer Weise die Verlegerschmerzen
des Literaten vorgelebt, er hat die Fron eines kleinstaatlichen Iourna-
lismus der Reaktionszeit bis zum GefLngnis durchgekostet, er hat ge-
kämpft und gelitten. Seine Zeit ließ ihn im Stich und betrog die Nach-
welt um köstliche Werke. Was würde es da nützen, wollte ihn der
Iubiläumsartikler aus seinem schwäbischen Halbdunkel herausholen und
ihn bei der „Lozierung" in der Literaturgeschichte ein paar Plätze hinauf-
rücken lassen?

Das wäre aussichtslos, Hermann Kurz zu einem deutschen Besitz machen
zu wollen wie Mörike das im letzten Iahrzehnt geworden. Kurz hat nie
eine Lhnliche Reinheit der Form erreicht, vieles bei ihm, zumal in den

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