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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1913)
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Schmidt, Leopold: Weihnachtsmusik
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Richter, Georg Martin: Meisterwerke des Kunstgewerbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0597

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seinen bei Peters erschienenen „Psalmen") zu nennen. Sehr beliebt ist
ferner die Verbindung solistischer und chorischer Lieder mit Deklama-
tion und Instrumentalstücken zu sogenannten Weihnachtsspielen. In dieser
szenischen, halb dramatischen, halb oratorienhaften Form, für Kinder ge-
schrieben und von Kindern aufgeführt gedacht, erfreut sich die Weihnachts-
musik noch heute weitester Verbreitung. Solche Weihnachts- oder Krippen-
spiele, meist mit Klavierbegleitung, eignen sich wegen ihrer leichten Aus-
führbarkeit für die Festfeier im Haus wie in der Schule und tragen als
letzte Ausläufer der Gattung mit etwas von dem Lichterglanz des Baumes
in die Seele des Kindes. Der verstorbene Karl Reinecke hat vielleicht
mit seinen schlichten Märchenspielen die erste Anregung dazu gegeben.
Von den neueren hat Engelbert Humperdinck in „Bübchens Weih--
nachtstraum" ein hübsches Beispiel aufgestellt. Wie kaum ein anderer
war Humperdinck dazu berufen, der schon in seinem „Hänsel und Gretl"
den kindlichen Ton der Volksweise so treuherzig zu treffen wußte, und der
mit der Fähigkeit zu naiver Melodiebildung ganz unaufsällig das Können
eines meisterlichen Kontrapunktisten verbindet. Das Feingeschliffene seines
Satzes rückt ohne weiteres auch solche harmlosen Gebilde in eine höhere
Kunstsphäre. Als letzte Beilage ist deshalb ein lieblicher Engelchor aus
dem genannten Werke in unsere Noten ausgenommen worden.

Solange das deutsche Volk sich die Eigenart seines Gemütslebens be-
wahrt, wird auch die Weihnachtsmusik nicht aussterben. Ob sie nun in
monumentalen oder in schlichten, volkstümlichen Formen erscheint, ein
bestimmter Charakter ist ihr eigen und eine Stimmung, die, wenn sie aus
echtem Geiste geboren, sich auch aus den Hörer überträgt. Äber die kirch-
lichen Ideen hinaus sind es Kindlichkeit, Naivität, Optimismus, Freude,
die sich mitteilen will, was uns aus ihren Klängen entgegenleuchtet und
uns in die eigene Iugend zurückversetzt. Insofern kann man gelegentlich
wohl auch von einer andern als der sür das Fest bestimmten Musik
sagen, daß sie etwas im eigentlichen Sinne Weihnachtliches habe.

Leopold Schmidt

Meisterwerke des Kunstgewerbes

^H^ie Optimisten sind der Ansicht, daß die Menschheit sich zu immer
(-H^höheren, edleren Stufen entwickle. Aber wer geschichtliche Studien
treibt, dem wird oft solcher Optimismus schwer. Wenn es eine
Aufwärtsbewegung gibt, so vollzieht sie sich jedenfalls in einem Auf-
und -niederfluten unzähliger unruhiger Wogen, und das Spiel dieser
Wellen bewegt sich in den seltsamsten, verwirrenden Kurven.

Wer den Löwen* vom Palaste Nebukadnezars zu Babylon (Beil. S. 0
betrachtet, wird gestehen müssen, daß die moderne Kunst diesem Meister-
werk dekorativer Kunst nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen hat.
Dieser Löwe aber ist vor ungefähr 2500 Iahren geschaffen worden. Wir wissen
über das Leben und die Meinungen des Künstlers nichts. Die europäische
Kunst hat unzählige Löwen dargestellt. Teils harmlose Kreaturen — infolge
des Mangels an Modellen —, die wie gutmütige Pudel aussehen, teils

* Die Bilder zu diesem Aufsatz sollen zugleich als Illustrationsproben die große
„Illustrierte Geschichte des Kunstgewerbes" aus dem Verlage Martin Olden-
bourg in Berlin nochmals empfehlen, welches sehr gehaltvolle und gediegene Werk
auch der „Weihnachtskatalog" des vorigen Heftes dringend empfahl. K.-L.
 
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