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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Miltitz, Dietrich von: Adel und Staatsdienst
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Ulbricht, W.: Mutterschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0350

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als junger Offizier j870 bei der Garde gestanden hatte, lieber bei der
Linie eintrat, weil seines Vaters Regiment inzwischen auch „hasenrein"
geworden war und er sich keinen „Korb" holen wollte. Man muß im
Interesse der Armee und des Adels hoffen, daß bald alle Reste dieser
Auswüchse verschwinden. Aber von völlig gleicher Wichtigkeit ist, daß
man sich hüte, die echte Tradition in der Armee anzutasten.

Daß in der Verwaltung der „adlige Rat" ohne weiteres den Vorzug
vor dem „bürgerlichen Rat" verdiene, wird auch kein Mensch behaupten.
Wenn als vortragende Räte und Direktoren in den Ministerien mehr
bürgerliche als adelige Beamte sitzen sollten — eine Statistik liegt mir
nicht vor —, so wollen wir das geruhig und vertrauensvoll als ein
Zeichen dafür hinnehmen, daß zur Arbeit in den bureaukratischen Zentralen
die Bürgerlichen mehr geeignete Leute stellen. Wenn man aber anderseits
bei dem adeligen Beamten im Durchschnitt die Eigenschaften häufiger
findet, die ihn geeignet machen, mit der Landbevölkerung zu verkehren
und ihre Interessen gegen die Regierung mindestens ebenso eifrig zu
vertreten wie umgekehrt, dann wäre es nicht zu billigen, wenn man den
Adel von den Dienststellen künstlich fernhalten wollte, an denen er sein
Bestes geben könnte.

Was wir also vom Adel verlangen, ist beileibe nicht, daß er „herab--
sehe" auf andere, als die für ihn historischen Berufe, und sich ihnen des--
halb fernhalte. Nur soll er sich ihnen nicht allein des leidigen Geldes
wegen zuwenden und sich dann auch noch einbilden, im Sinne des Adels
wie der Allgemeinheit besser und klüger gehandelt zu haben als seine
Standesgenossen, die schlicht und ohne viel zu fragen, wieviel es einbringt,
im altgewohnten Kreise wirken. Ieder soll sich fragen, wo er sein Bestes
leisten kann, und danach handeln.

Vom Staate aber wollen wir durchaus keine Bevorzugung. Die
Tüchtigkeit allein soll entscheiden. Aber sie soll an der ganzen Persön--
lichkeit, nicht nur am Examen gemessen werden. Auch soll es gleichgültig
sein, ob sie vererbt oder erworben ist. Der Staat soll sich auch nicht der
Gleichmacherei zuliebe einen alten erprobten Diener durch rücksichtslose
Behandlung entfremden, solange der vollwertige Ersatz nicht zahlreich genug
ift, um die entstehenden Lücken zu schließen.

Dietrich Frhr. von Miltitz

Mutterschaft

^^v^enn ich die Erörterungen über die Frage der Mädchenerziehung
v ^überblicke, so will mir's scheinen, als ob der Hauptton dabei auf
etwas gelegt würde, was von allen Einsichtigen schon eine gute
Weile als Fehler in der Erziehung sogar der männlichen Iugend
bekämpft wird. Ich meine das einseitige Streben nach einer möglichst
hohen intellektuellen oder technischen Bildung und damit nach sozialer
Selbständigkeit.

Sicher: es ist in dieser Richtung gar manches nachzuholen, und unsre
weibliche Iugend von heute braucht eine andere Geistes-- und Berufs--
bildung, als sie noch zu Großmutters Zeiten üblich und nötig war. Aber
mir scheint, als ob über dem Streben nach intellektueller Hebung und
wirtschaftlicher Sicherung das nachgerade in den Hintergrund gedrängt
wurde, was der Frau als Weib das höchste Glück sein sollte, was der

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