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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Heuss, Theodor: Hermann Kurz
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Schmidt, Leopold: Das Totenfest in der Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0336

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großen Versuchen, ist unbewältigt geblieben, Torso, er hängt und klebt
fester am Schwäbischen als alle seine berühmten Landsleute, von denen
er sich dadurch unterscheidet, daß er der einzige ist, trotz der Hauffschen
Liebenswürdigkeiten, der als Erzähler groß ist. Lr wurzelt im Lokalen,
im altreichsstädtischen Reutlingen, und in der Territorialgeschichte Alt-
württembergs — das sind aber Sonderdinge so eigner Art, daß der Welt
da draußen der Geschmack dafür nur schwer ausgeht, kaum den Lands-
leuten.

Und doch sind Stücke darnnter von einer einzigen Kraft. Man kann
Kurz mit Willibald Alexis vergleichen, aber der Schwabe ist zugleich
gedrungener und geistreicher als der Märker. Freilich hat er auch mehr
Hemmungen, und es reicht fast nie zum freien und ungehinderten Fluß
der Darstellung. „Romanhaftes^ drängt sich zwischen das Geschaute, dieses
aber ist so unmittelbar, so präzis gegeben, so farbig und deutlich, un-
sentimental, gegenwärtig, wie eben nur ein überlegener Kopf die Ge-
schichte meistert. Er läßt in seinen beiden großen Romanen „Schillers
Heimatjahre" und „Sonnenwirt" das Württemberg der Karl Eugenschen
Zeit mit unerhörter Eindringlichkeit auferstehen, gibt Charaktere nnd
Situationen von unvergeßlicher, herber Kraft — ja, man braucht nichts
mehr an ihm gutzumachen, sondern sich nur den Dank verdienen von
dem oder jenem, daß man ihm den Kopf auf diese Knnst gestoßen.

Dieses hundertsten Geburtstages darf nicht gedacht werden, ohne ein
Wort des Dankes an den alten Paul Heyse nach München. Es lassen
sich im literarischen Charakter wie im Verlauf des äußeren Lebens und
der menschlichen Art kaum größere Gegensätze nebeneinanderstellen als
diese beiden Männer. And doch war Heyse der einzige, der Kurz er-
kannte, ihm half, für ihn sorgte, thn ermunterte, an ihn glaubte — frei-
lich kam er zu spät, die Saiten hingen schon schlaff in der Leier. Aber
die Freundschaft und der Glaube des Iüngeren verklärten die letzten
Iahre des frühen Greisentums. And Heyse hat dafür gesorgt, daß wenigstens
„Die beiden Tubus^ einen größeren Leserkreis fanden, das köstlichste nnd
in der Form reinste Werk aus Kurzens Feder. Wir vergreifen uns
nicht im Ton, wenn wir dies Meisterstück geistreichen und barocken tzumors,
aus dem der ganze Charakter altschwäbischer Geistes- nnd Gemütsart
herausblitzt, in die Nähe von Gottfried Keller rücken.

Aber man ehrt sein Gedächtnis nicht mit literarischen Zensuren, sondern
mit der Ehrfurcht vor seinem menschlichen Heldentum. Theodor Heuß

Das Totenfest in der Musik

^r^s entspricht dem Wesen der Tonkunst, daß sie uns immer da am
E ^tiefsten in die Seele greift, wo wir von den materiellen Eindrücken des
^^Lebens zu poetischen, transzendentalen Vorstellnngen unsre Zuflucht
nehmen. Daher mußte von allen Künsten die Musik von jeher der
Religion am nächsten stehen. In der Verbindung mit dem Kult, in
der Liturgie, erwuchs beiden die innigste Beziehung. Wie die Musik
den Gottesdienst schmückte, so gab ihr die Religion einst den reichsten
und volkstümlichsten Inhalt, und es wäre schwer zu sagen, auf welcher
Seite der größere Gewinn zu suchen ist. Denn als Mittel, Herzen und
Phantasie für die Heilslehre zu erobern, hat wohl die Geistlichkeit selber
die Tonkunst nie unterschätzt; dafür spricht allein die Förderung, die

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