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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0561

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„Kräftiges, zielbewußtes Vorwarts--
streben, auf gründlicher wifseuschaft--
licher Basis, geleitet von weiser Be-.
sonnenheit." William Stern

Vom rechten Kaufmann

c^VU>it der Zeit werden die Menschen
^^wohl erkennen, daß sie dieses
Verfahren aufgeben müssen. Sie
sollen nicht aufhören die Selbstsucht
zu verdammen, aber sie müssen eine
neue Art des Handeltreibens, die
nicht ausschließlich eigennützig
ist, entdecken. Oder vielmehr, sie
müssen zu der Erkenntnis gelangen,
daß es niemals eine andere Art
wirklichen Handels gegeben hat, noch
geben wird, daß das, was sie Handel
genannt haben, überhaupt kein Han-
del, sondern Betrug war. Sie wer--
den sich überzeugen, daß der Handel
ein Berus ist, dem sich mit täglich
steigender Notwendigkeit Edelden--
kende widmen müssen; daß dieses
Amt vielleicht wichtiger ist, als zu
predigen und totzuschlagen. Weiter
werden sie erkennen, daß es bei
einem gerechten Handel ebenso wie

bei einer wahren Predigt oder einem
offenen Kampfe notwendig ist, sich
mit dem Gedanken gelegentlicher, un-
vermeidlicher, freiwilliger Verluste
vertraut zu machen, daß bei rich--
tigem Pslichtbewußtsein ebensogut
ein halber Schilling wie das Leben
aufs Spiel gesetzt werden muß; daß
es auf dem Markte auch gerade so
ein Martyrium, als auf der Kanzel
geben mag, und im Handel ebensogut
wie im Kriege Heldentum vorhanden
sein kann. Sein kann und auch
als Endergebnis sein muß, nur bis
jetzt noch nicht vorhanden war, weil
Menschen mit heroischen Anlagen
gewöhnlich schon in ihrer Iugend in
andere Bahnen gedrängt werden.
Sie übersehen, was heutzutage viel-
leicht die wichtigste aller Berufs--
arten ist. IohnRuskin

Bilder und Noten

Bild von Heinrich Linde-Walther ist wohl wieder mal eins
)^)von den wenigen, die beinah für alle was Gutes sind. Es ist höchst
dekorativ — auf der letzten Internationalen in Dresden „beherrschte"
es einen der größten Säle. Es ist schlagend in seiner Charakteristik —
kennen wir das Persönchen nicht, sobald wir es sehn? Ls ist malerisch
ungemein frisch und keck, und doch nicht roh, es lacht vor farbiger Ver-
gnügtheit und verzerrt sich doch in keinem Teile. Es ist ein Prachtbild,
und diesmal ist wirklich auch die Steindruckwiedergabe famos. Wie das
stramme Wesen von seinem Bilderbuch aufguckt, gehört es in ein Vor-
weihnachtsheft wie nur eins.

Wenn wir nach diesem Bilde ein Werk wie eine der berühmten Hand-
zeichnungen zu den Feuerbachschen Iphigenien und iphigenienartigen
Gestalten ansehn, so scheint unserm ersten Blick der Weg schon von diesem
zu jenem Menschentyp erddurchmesserweit. Dem zweiten zeigt sich aber,
daß wir uns irrten, daß aus einem Kindskopfe wie jenem sehr wohl ein
Iungfrauenkopf wie dieser werden kann. Und es wäre auch sehr leicht
möglich gewesen, das schon im Kinderkopf ahnen zu lassen, wenn's drauf
angekommen wäre. Der Künstler wollte andres, und letzten Endes ist es
ja immer die Auffassung, die etwas macht. Von Feuerbach gilt das

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