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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: Weihnachtsmarkt
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Rath, Wilhelm: Was viel gelesen wird: vom Typus Eschstruth
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0423

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Bewegung fördert all das. In den meisten Gewerben, die für den Weih--
nachtsmarkt in Frage kommen, hat sich die Produktion so gehoben, daß man
für die meisten Fälle gute Waren wenigstens finden kann, woran früher gar
nicht zu denken war. Vereinigungen wie der „Bund deutscher Architekten"
und der „Deutsche Werkbund" bedeuten unzweifelhaft ein Miteinander von
geschäftlicher, künstlerischer und sittlicher Arbeit, sie suchen nicht bloß, wie
die älteren Fachorganisationen, das anständige Geschäftemachen als solches
zu erleichtern, sondern den künstlerischen und sittlichen Grundsätzen im „Fach"
die Lebensbedingungen zu stärken. Und nun haben wir die besondere Freude,
auch die Händlerschaft organisatorisch in diese Bewegung eintreten zu sehen.
Die aus ihr heraus im Verein mit Dürerbund und Werkbund geschaffene
„Dürergenossenschast" wird vom nächsten Iahre ab auch auf dem Weihnachts-
markt von wachsender, für die Zukunst vielleicht von umformender Kraft sein.
Uns allen aber stärkt sie die recht weihnachtliche Stimmung schon jetzt: es
gibt auch keinen Erwerbstand mehr in unserm Volke, in dem
nichtschon bewußte Kulturarbeit lebte. Es gibt sogar keinen
mehr, in dem sie nicht schon von Einfluß wäre.

Der Weihnachtsmarkt ist das große Abstimmen im deutschen Volk über
seine wirtschaftliche Produktion. Ein Abstimmen, bei dem, wie Pechmann
sehr richtig betont hat, auch die deutsche Frau das volle Wahlrecht schon
hat. Benutzen es alle unsere Gesinnungsgenossen bedacht, um zu fördern,
was sie für gut, um zu unterstützen, was sie für nützlich, um zu bekämpfen,
was sie für schädlich halten? Dann dürfen wir heute mit unvergleichlich
festerer Zuversicht auch auf das Erfreuliche und Unersreuliche des Weih-
nachtsmarktes sehen, als die Erkennenden unter unsern Lltern und Groß-
eltern damals, als er noch so viel „malerischer", so viel „poetischer" aussah.

5!l

Was viel gelesen wird

Vom Thpus Eschstruth

/^leut wollen wir von einem Typus der Frauenliteratur sprechen,
^s^der nicht modern, aber, laut sprechenden Auflagezahlen, noch immer

-^Mode ist. Wer die Gesellschaft von heute kennen will, darf ihn nicht
übersehen.

Die einzelne Persönlichkeit, die hier einen zählebigen Typus vertreten
soll, scheint die höchste Höhe ihrer sozusagen literarischen Gemeingefähr-
lichkeit überschritten zu haben. Im westlichen Großberlin wird sie nur
noch von einer Backfisch-Minderheit gelesen; schärsere Sachen haben die
(buchhändlerisch gesprochen) „sittenreinen" Romane der Nathaly von Esch-
struth verdrängt. Im übrigen aber hat sie noch immer eine übergroße An-
hängerschast. Der Kaiser hat die Widmung eines ihrer Bücher angenommen,
was das besagt, wissen wir. Staatliche Medaillen für Kunst und Wissen-
schaft hat die Dame auch. Ihr jüngster Zweibänder, „Vas vletis", wird
in dem Prospektus „Bücher, die eine Zukunst haben" unter wirklich guten
Werken als ein „neues Meisterwerk" gerühmt, von dem weiter gesagt
wird, daß es „nach den Original-Auszeichnungen einer hohen Persönlich-
keit geschrieben worden ist". Und zum Äberfluß noch dies: „Trotz der mit
vornehmstem Takte gewahrten Diskretion dürften manchem Leser die handeln-
den Personen nicht fremd sein. ,Va.s vietis' ist nicht nur geistreich, sondern
auch spannend durch hochdramatische Handlung und hervorragend durch
eine schöne und reine Sprache..."

Z3Y
 
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