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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1913)
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Gregori, Ferdinand: Theaterfragen
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Schmidt, Leopold: Zur musikalischen Zeitgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0032

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daß die Schauspielkunst im eigentlichen Sinne nur auf den Proben
genossen werden kann. Ein paar reizvolle Anekdoten führen die Vorherr--
schaft des nur malerisch empfindenden Malers aä absnränm. Erst wenn
die Farben — wie die Dekorationen — dramatischen Wert haben,
sind sie auf der Bühne brauchbar und nnterstützen den Eindruck.

Freksa sieht dem Treiben am Theater mit dem gesunden Menschen-
verstande zu, der von kenntnisarmen, aber wortreichen Beurteilern so
gerne der Nüchternheit und dem Banausentum gleichgesetzt wird. Aus
seiner Seite stehn aber die wahrhaft großen Theatermänner Shake-
spere und Moliere, Friedr. Ludw. Schröder und Isfland, Lessing und
Otto Ludwig, Laube und der Herzog von Meiningen. Freksas sür Rein-
hardt zeugendes Buch ist viel wortkarger als Siegsried Iacobsohns Lust-
und Unlustschrei über denselben Mann, aber es ist eben innerhalb des
Hauses entstanden, und das gibt ihm den Vorsprung. Ls ist ein typisches
Werk, ohne durch Unpersönlichkeit zu langweilen, und zeigt, wo wir
stehen, während Iacobsohn zeigt, wo er steht. An einem Punkte erhebt
er drohend den Finger der Zeit und warnt vor dem schlimmsten Feinde
aller Kunst, vorm Amerikanismus. Wer ost nach Berlin schaut, der
fühlt, wie nahe die Axt dort schon der Wurzel ist. Eine allgemeine
Selbstbesinnung kann sie noch wegreißen. Wenn ich mich nicht täusche,
ist der glückbringende Augenblick da. Ferdinand Gregori

Zur musikalischen Zeitgeschichte

^»^as Iahr VsZ ist für uns Musiker ein Gedenkjahr erster Ordnung.
(HZWir haben Rrsache, dankbaren Herzens zu jubilieren: vor hundert
^^Iahren wurden uns Wagner und Verdi, der eine im Frühling, der
andere im Herbst, geschenkt. Ihr Name und ihr Ruhm ersüllten nun die
Welt, die sich, nicht immer gleich und willig, der Äberlegenheit ihres Genies
gebeugt hat. Im besonderen die Opernbühne darf beide als ihre kräftigsten
Förderer und sichersten Stützen für sich in Anspruch nehmen. Allein mit
den Zentenarfeiern für die größten musikalischen Dramatiker des O- Iahr-
hunderts ist es nicht getan; wir haben uns auch klarzumachen, welche
Einflüsse von ihnen ausgegangen sind, was ihr Wirken sür die Gegenwart
bedeutet, und was davon voraussichtlich der Zukunft als mehr oder minder
unantastbares Vermächtnis verbleiben wird. Auch das ist in Aufsätzen,
Büchern und Broschüren, wenigstens was den deutschen Meister betrisft,
wohl ausgiebig genug geschehen. Der ausmerksamen Betrachtung aber
bietet sich bei solcher Nmschau noch etwas anderes, und unwillkürlich gleitet
sie von den beiden Gestalten, die sie fesselten, aus die Nmgebung, die sich
mit ihnen abzusinden sucht. Ls kann uns heut nicht mehr entgehen, daß
die Gegenwart ihre eigenen Forderungen aufstellt; daß sie sich darin scharf
von der jüngsten Vergangenheit abhebt, daß sie vielleicht den Anfang einer
neuen Epoche verheißt. Seitdem von den beiden Musikern der eine sich
die Welt, der andere zum wenigsten die Welt des Scheins erobert hat,
sind eine andre Zeit und ein ander Geschlecht heraufgekommen,- und nun
wir jene feiern, gewahren wir, daß wir selber eine bedeutungsvolle Um-
wandlung durchmachen. Vielleicht ist es nicht verfrüht, auch davon einmal
zu sprechen.

Seit einigen Iahren macht es sich mehr und mehr bemerkbar. Wohl steht
auch das Musikleben Deutschlands unter dem Einsluß kunstfeindlicher Ten-
 
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