Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1913)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Vom Feste der Ruhe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0580

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gustav Gamper

Kirchdörfchen im Schnee

Vom Feste der Nuhe

eihnachten, Ostern, Pfingsten — man ha't sich oft schon dessen gefreut,
) ^daß in unsern nordischen Ländern die großen Feste der Christenheit
in ihren Gefühlsgehalten begleitet werden vom Wandel der Land-
schaft. So sehen wir in den Kreislauf des Iahres die Stimmungen der
heiligen Feste hinein, es kommt aber auch, ohne daß wir dessen bewußt
sein mögen, ein Abglanz, eine Farbe der Landschaftswandlungen in unsre
Auffassung der Kirchenfeste. Ietzt ist es still draußen geworden und
kahl, die Landschaft schweigt und träumt, der Nebel hüllt, der erste Schnee
flockt sie vielleicht schon zu. Das färbt uns die Stimmung der Advent-
zeit, die Heimat des Heute tönt sie uns, nicht aber den Süden des
biblischen Iudenftaates. Auch den nicht Christgläubigen unter uns, wenn
sie nur religiöse Menschen sind, kommt die Neigung zur Linkehr ins
Innenleben häufiger in diesen Wochen, da das Draußen weniger auf sie
eindringt, als sonst, da es ihnen zurückgesunken erscheint, eingedeckt.
Sonnenwende dazu — auch die Nichtkirchlichen sühlen, daß in dieser
Stille jetzt etwas sehr Wichtiges geschieht, das doch zunächst noch kaum
merkbar ist. Es sei denn, es zeige sich uns als ein lichtes Gesicht, wie
Berchta, die sonnig-sommerliche, in den winterlichen Zwölfnächten unsrer
Ahnenzeit umging.

So ist uns das höchste Christenfest zugleich das Fest der Ruhe.
Ostern, da ist das Grünen, Pfingsten, da ist das Blühen da, zur Weihnacht
nur der Punkt, mit dem die Linie, nur der Gedanke, mit dem das Werden
beginnt. Weihnachten ist das Fest der Ruhe. Hinter all dem atemlosen


2. Dezemberheft 19 fs (XXVII, 6)
 
Annotationen