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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1913)
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Prehn von Dewitz, Hanns: Weltnachrichtendienst: von der großen Internationalen und ihrer Macht
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Stapel, Wilhelm: Gneisenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0155

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Weise zu heben, es zu schützen und gegen die rnannigsachsten, im einzelnen
oft vielleicht unwichtig scheinenden, in ihrer Gesamtheit aber so verderblichen
Angriffe zu verteidigen, das ist die Ansgabe des nationalen Telegraphen-
bureaus im Auslanddienst. H. Prehn-von Dewitz

Gneisenau

^^n der Brust von tausend und tausend Menschen wohnt ein großer
^^Genius, dessen aufstrebende Flügel seine tiesen Verhältnisse lähmen.
^FWährenddem ein Reich in seiner Schwäche und Schmach vergeht, solgt
vielleicht in seinem elendesten Dorfe ein Cäsar dem Pfluge und ein Epa-
minondas nährt sich karg von dem Lrtrage der Arbeit seiner Hände." Das
sind die Schicksalsworte Gneisenaus, die uns den Schlüssel zu dem Wunder
seines Lebens wie zu seinem Wollen und Wirken geben. Als einen durch
die Verhältnisse niedergehaltenen Epaminondas empfand er sich selbst, als
er auf seinem schlesischen Landgut Kartoffeln und Getreide baute, und
eine Folge aus der Stimmung jener schlesischen Iahre ist es, wenn er,
sobald seine Hände srei wurden, stets als Erlöser gebundener Volkskräste
wirkte, wenn er selbst aus einem bunt zusammengeholten Haufen polnischer
Rekruten, durch Methode wie durch den unmittelbaren Linsluß seiner
Persönlichkeit, in kurzer Zeit eine tüchtige Truppe schus. Man sagt wohl:
das Genie findet immer seinen Weg, ein Napoleon hätte auch ohne die
sranzösische Revolution irgendwie die Welt in Bewegung gesetzt. Aber es
gibt Naturen, die, von gewaltigen Fähigkeiten und umspannenden Plänen
schwanger, durch gewisse seelische Hemmungen, ost von edelster sittlicher
Art, gehindert werden, sich durchzusetzen. Eine vornehme Zurückhaltung,
eine auch in leidenschastlichen Augenblicken selbstverständliche Mäßigung,
eine stark gesühlte Verpslichtung zur Bescheidenheit hinderten Gneisenau,
sich rücksichtslos um jeden Preis zu entsalten. Dazu kommt seine eigen-
tümliche Fähigkeit, sich in intellektuellem Ausleben zu besriedigen und
zu resignieren. Das Genie dieser Art durchbricht niemals die gesellschast-
lichen Schranken und die sittlichen Schranken nur, wenn es sich des höheren
sittlichen Rechtes vollverantwortlich bewußt ist. Ob aus einem Mangel
an letzter Krast? Wer vermag das zu sagen! Vielleicht muß man die
sreiwillige Begrenzung, die Unterordnung unter eine Sache oder Person,
als eine besonders wertvolle sittliche Tat anrechnen. Eine geschichtliche
Tatsache ist, daß dieser Zug zur Selbstzucht gerade bei großen Deutschen
sehr häufig ist. Sie setzen ihre Person nicht unmittelbar als Zweck, auch
nicht in verschleierter Form, sondern sie dienen einer Sache oder einer
Person. Feuerbrände von der Art eines Cäsar oder Napoleon sind nicht
unter ihnen zu finden. Sie haben ihre Schranken in der Treue gegen
etwas, und das ist in der ursprünglichen Zeit die Mannentreue. Auch
in den Heldengestalten der Volksphantasie ist dieser Zug deutlich aus-
geprägt: in Siegsried, Hildebrand, Dietrich von Bern, und auch ein Hagen
handelt nur im Dienst Gunters.

Ein Genius von der Art Gneisenaus bedarf der Geburtshilfe durch
Aufgaben, die Männer oder Zeiten ihnen stellen. Das bloße Dasein der
Kraft, die geistige Äberlegenheit als Naturphänomen genügt ihnen nicht,
sie zu betätigen, sie wollen von irgendwoher eine Berechtigung
dazu haben, die nur durch ein Dienen gegeben wird. Darum sind alle
diese Helden in ihrem geistigen Grundriß von vornherein tragisch an-
 
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