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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
DOI Artikel:
Servaes, Franz: Wiener Kunst: ein Brief an den Herausgeber
DOI Artikel:
Miltitz, Dietrich von: Adel und Staatsdienst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0344

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vertrauen dürfen. Wäre in ihr anch das (leider fehlende) organisatorifche
Genie und ein reichlich sprudelnder (doch leider gleichfalls fehlender) nsr-
vns rsrnin: österreich würde es gewiß wagen dürfen, die gefamte rnoderne
Knnftwelt alsbald in die Schranken zu fordern. So freilich wird nran fich
damit begnügen müssen, in anftändiger Weise fachte „fortzuwursteln", das
Talent zu fördern und zu schützen, insbesondere jedoch alle Schädlinge,
bevor sie sich mäften und ausbreiten können, tapfer und rückfichtslos zu be-
kämpfen. Diefe negatwe Seite ift für Osterreich leider vorderhand die
wichtigste.

Es war meine Absicht, Ihnen ein paar pfychologische Voraussetzungen
kurz zu skizzieren, unter denen die gegenwärtige österreichische Kunft, wie
mich dünkt, betrachtet werden muß. Ich hoffe Gelegenheit zu finden, das
hier in allgemeinen Zügen Lntwickelte nach und nach in besonderen
Darlegungen, je nach den sich bietenden Gelegenheiten, zu wirklichem
Leben erftehen zu lassen. In diefer Hoffnung fende ich dem ^Kunstwart"
meinen deutfch-brüderlichen Gruß. Franz Servaes

Adel rmd SLaaLsdienst

^^er alte Lehensstaat, als dessen notwendiges Organ fich die Ritter-
Aschaft zu dem herausgebildet hatte, was sie in ihrer besten Zeit
war, forderte vom Adel als Gegenwert für die Rechte, die er
ihm einräumte, beftimmte Leistungen, und diese verlangte auch der Adel
als Stand vom einzelnen Ldelmann als Gegenwert für den Rückhalt
und Ehrenvorzug, den ihm die Zugehörigkeit zum ersten weltlichen Stand
im Staate gewährte.

Mit der Aufhebung der Rechte des Adels find auch seine rechtlichen
Sonderpflichten gegen den Staat und mit der Entziehung des Rück--
halts, den der Stand ihm zu bieten hatte, die bindenden Verpflichtungen
des Edelmannes gegen seinen Stand weggefallen- der einzelne Ldel-
mann ist also heute in der Wahl feines Berufes ganz frei. Da aber der
Federstrich, der die Rechte des Adels aufhob, nicht gleichzeitig eine durch
sechs bis acht Iahrhunderte anerzogene und vererbte Ligenart verwifchen
konnte, bleibt die für die Allgemeinheit, wie mir scheinen will, nicht
gleichgültige Frage beftehen: in welchen Berufen diefe an sich nicht wert-
lofe Ligenart dem Volke unter den heutigen Verhältnissen am nützlichsten
sein kann. Für den Ldelmann, soweit er Pietät hat, kann man die
weitere Frage hinzufügen: wie erfüllt er am besten das ungefchriebene
Gefetz feines Standes, an dem keine Revolution, kein Mehrheitsbefchluß
und auch kein Königswort rütteln kann: ^Adel verpflichtet".

Wenn im folgenden versucht werden soll, diese zwei Fragen zu be-
antworten, fo kann selbftverftändlich nicht auf jeden einzelnen Beruf ein-
gegangen werden, sondern es müssen die Gruppen der ^altadeligen^ oder
im engeren Sinne staatsdienenden und der ^modernen" oder im engeren
Sinne erwerbenden Berufe zufammengefaßt und aus ihnen Beifpiele her-
ausgegriffen werden. Die Bewirtschaftung der eigenen Güter, die natürlich
gegeben ift, steht nicht zur Debatte, ebensowenig tun das die Berufe des
Geistlichen, des forschenden Gelehrten und des schaffenden Künstlers, die
ohne Unterschied des Standes von allen ergriffen werden follten, denen
das Gottesgeschenk der Befähigung dazu verliehen worden ist, — aber
auch von keinem andern.

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