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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1913)
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Schumann, Wolfgang: Neue Klänge im Drama
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Schmidt, Leopold: Weihnachtsmusik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0594

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nur eigne Krast könne einer Menschheit helfen, die sich nicht ausgeben
will. Doch sei es hier gesagt, um zu erklären, aus welchem tiefsten Grunde
wir auch Claudel nicht für ein absolut größtes „Ereignis" auf seinem
Gebiete halten können. Wolfgang Schumann

Weihnachtsmusik

^»^ereinst wurde das gesamte Leben, auch das künstlerische, vom Kirchen-
(-H^jahr und seinen Einschnitten gleichsam geordnet und gegliedert.

Die Kirchenfeste stellten ihre besonderen Ausgaben, denen nachzu--
kommen dem Künstler noch ein natürliches Bedürfnis war. Vornehm-
lich aber war dies in der Musik der Fall, die ja zeitweise im Schutze
der Kirche und im engsten Zusammenhange mit ihr sich entwickelt hatte.
Allerseelen, Weihnacht, Neujahr, Ostern und Psingsten übermittelten der
Musik ihren eigenen Stimmungsgehalt, ließen sie bestimmte Formen und
Ausdruckstypen schaffen, und übten ihren Einfluß über die kirch-
liche Kunst hinaus bis ins schlichte Volkslied. Es ist daher keine nur
äußerliche Einteilung, wenn man von Weihnachtsmusik, Ostermusik usw.
spricht. Ie mehr sich dann das geistige wie das bürgerliche Leben von
dem kirchlichen trennte, je mehr der Zusammenhang des Einzelnen mit der
Gemeinde gelockert wurde, desto bedeutungsloser mußten natürlich auch
jene Begrisfe werden. Was geblieben, ist, soweit es sich nicht um An-
lehnungen an künstlerische Vorbilder handelt, das Symbol. Auch der
moderne Mensch hat das Bedürfnis, der Toten zu gedenken; er freut
sich mit den Kindern unter dem Tannenbaum des Lichtes, das in die
Welt gekommen, er verschließt sich nicht dem Evangelium der Liebe, die
sich opfert, um andere zu entsühnen, und er fühlt sich froh und sestlich ge-
stimmt, wenn zur Zeit der alljährlich wiedererwachenden Natur ihm auch
der Glaube an die Triebkraft des geistigen Samenkornes neu gestärkt wird.
Solche Gedanken aber bewegen ihn auch dann — ja vielleicht in noch tieferer
Seele, wo das Nnbewußte schlummert —, wenn sie, zumal in der Kunst,
im althergebrachten und deshalb liebgewonnenen legendären Gewande
erscheinen.

Wir rüsten uns in diesen Adventstagen auf das Fest, das wohl das
schönste aller Feste genannt werden darf. Wir fassen seine Feier auf
als den kirchlich-symbolischen Ausdruck des Altruismus. Die Freude,
die der gläubigen Seele einst die Verkündigung der Geburt Christi gegeben,
äußerte sich in dem Verlangen, selber Freude zu erwecken und weiter-
zuverbreiten. Und damit war eine Grundsaite der menschlichen Natur
berührt, die noch heute fortschwingt.

„Wenn Gift und Galle die Welt dir beut,

Nnd du möchtest das Herz dir gesund bewahren:

Mach andern Freude! Du wirst erfahren,

Daß Freude freut.«

Dies Epigramm Theodor Vischers hat etwas Weihnachtliches. Linmal
im Iahre will auch der Egoist die Freude des Gebens auskosten. Linmal
im Iahre gehört man ganz den Seinen und der Häuslichkeit. Obarit^
bsAins a.t boin6! Aber man möchte die ganze Welt beschenken, möchte alle
Tränen trocknen, nur glückliche Gesichter sehen. Die Lichter leuchten durch
die Nacht. —

Das ist Weihnachtsstimmung. Das ist der Charakter des Festes in seiner
 
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