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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1913)
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Gregori, Ferdinand: Theaterfragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0031

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Werke nnterleben. Mit schwarz und weiß bezeichnet man das Verhältnis
zwischen ihnen und „Ihin" schlecht. Aber nehrnen wir einmal Reinhardt
als ein Muster des lebendigen Theaters! Ist er müde, weil er jetzt
kein zehntes Theater ankündigt, das seine bisherigen Taten verdüstern
soll? Kann nicht auch über ihn die Ruhe gekommen sein, die Bilanz
zieht? In seinen Theatern geht's nicht so gemessen zu wie in Dresden
und München, aber daß die Verstiegenheiten, die seine Vergötterer ihm
aufhalsen, nicht innerhalb seiner Arbeitsräume gepflegt werden, dasür
erbringt Friedrich Freksas Buch „Hinter der Rampe" den deutlichsten,
beruhigenden Beweis. Ein Dichter hat diese Theaterglossen geschrieben,
die von allen früheren dramaturgischen Aufzeichnungen der Theaterdichter
so erheblich abweichen, daß man dem Geiste der Reinhardtbühnen einen
Anteil daran zusprechen muß. Freksa ist nicht nur mit guten Augen
gesegnet, er muß auch Gutes gesehen haben, um diese Fülle von trefflichen
Bemerkungen sammeln zu können. Wohl hat gerade der Kunstwart so
ziemlich alle Materien schon behandelt, die Freksa anpackt, hat sogar die
gleichen Klagen und Wünsche ganz ähnlich formuliert, aber besonderen
Wert gibt diesen reichlich dreißig Aufsätzchen ihre Herkunft. Nicht ein
Schauspieler spricht über häusliche Dinge, die ihm vertraut sein müssen;
sondern ein Dichter, der erst als solcher mit dem Theater in Berührung
gekommen ist, schüttet die schnell erworbenen praktischen Kenntnisse vor
uns aus. Wo sie erworben worden sind, weht echte Theaterluft, das
fühlt man, weht der Atem schauspielerischer Tüchtigkeit, herrscht nicht
das Ästhetentum, das fernstehende „Freunde" des Theaterfortschritts uns
als den Inhalt der feineren Inszenierungstätigkeit aufschwatzen wollen.

Es ist eine besondere Freude, so ein Buch der Bestätigungen in der
Hand zu haben, das aus einer anderen Berufssphäre stammt. Man sieht
doch wo und wie. Derbe und zarte Dinge zieht er heran. Vom Geschäft
spricht er, das einen gleichmäßig kühlen Kopf erfordere, schätzt vor allem
den Direktor, der aus dem Schauspielerstande hervorgegangen ist, und
nennt ihn genial, wenn er aus Kunstwerten Marktwerte gewinnt. Er weiß
ganz genau und nimmt's hin, daß der bei den Bühnenproben mithelfende
Dramatiker wie ein lästiger Ausländer behandelt wird, aber er HLlt
auch den Dramaturgen, der eine andre Sprache redet als der Schau-
spieler hören will, für ein absterbendes Glied am Kunstkörper. Außer--
ordentlich klug sind die sieben Regeln, die er dem Theaterdichter für den
„Umgang mit den Darstellern" ins Stammbuch schreibt. Er erhofft sich
von einer neuen Gründung viel, die es mit Schauspielern als Sozietären
versucht, weil dann Kritik und Publikum keinen Prügelknaben mehr haben
werden, dem sie alle möglichen kleinlichen Vorwürfe machen können. Beide
Kategorien der Genießer werden ein wenig sozial denken lernen und den
menschlichen Anteil am Gedeihen des Theaters mitklingen lassen. Nichts
ist Freksa zu geringe: er tritt für den Beifall ein, ohne doch die Scham
des Schauspielers auszuschalten, erörtert die Wirkungen des sallenden
und des sich schließenden Vorhangs, macht Vorschläge, um der Kleidernot
der Schauspielerinnen zu steuern, rät dem Dramatiker — auch dies ist
im Kunstwart ausführlich behandelt worden — beim Handwerk der erfolg-
reichen Schwankschreiber in die Lehre zu gehen, anstatt sie über die
Achsel anzusehen; er stellt fest, daß zwischen dem ersten und zweiten Schau--
spieler ein Art- und kein Gradunterschied sei, und er wagt sogar (was
ja dem Mimen kein Geheimnis) im vollen Tageslicht zu verkünden,
 
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