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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Miltitz, Dietrich von: Adel und Staatsdienst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0349

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Schrank von allen Seiten. Etwas wurrnstichig zwar, aber gute Arbeit,
könnte noch manches Iahr halten, soll man ihn wirklich zu Brennholz zer->
sägen? — Wenn er gewissenhaft ist, seufzt der tzausvater schließlich und
sagt: „Ach, Kinder, stellen wir ihn Lort in den stillen Winkel und benutzen
ihn zu dem, wozu er immer gedient hat. Wenn er dann von selbst zersällt,
ist es zum Einheizen immer noch früh genug." Wenn wir vom Adel
wünschen, daß er seinen alten Berufen treu bleibe, mehr um des Staates
als um seinetwillen, dann darf ihm der Staat unter dem Drucke der
„öffentlichen Meinung" nicht allzu eifrig die Lust dazu nehmen.

Fangen wir bei der Armee an, so darf kein adliger Offizier verlangen,
auf Grund seines alten Namens in den Generalstab versetzt oder rascher
befördert zu werden. Das geschieht aber auch tatsächlich nicht, wer es
behauptet, beschuldigt unsere Heeresleitung ungerecht. Wie ist es nun
aber mit den „vornehmen Regimentern" ? Da muß einmal Farbe be--
kannt und nicht versucht werden, um die Sache herumzugehen wie die
Katze um den heißen Brei. Das Bestreben, „ein adliges Offizierkorps"
zu bilden, sich „hasenrein" zu machen (so lautet der Kunstausdruck), wie
es bei der preußischen Garde und manchen andern Regimentern vorliegt,
ist ein Anfug, der jeder gesunden Anschauung und Tradition hohnspricht,
mit Recht Argernis erregt und nicht schnell genug verschwinden kann. Das
kürzlich eingeführte „Konzessions-Schulzen-System" trifft das Wesen der
Sache nicht, der ganze Schwindel muß aufhören.

Aber es gibt „vornehme Regimenter«; das sind die, deren Namen
mit der Geschichte der Armee und ihren Lrsolgen verknüpft sind. Mit der
Geschichte der Regimenter wieder sind die Namen der Offiziere verknüpft,
die an ihren Ruhmestagen gefochten haben, zum Teil gefallen sind.
Wenn der Sohn gern in dem Regimente dient, in dem der Vater bei
Mars-la-Tour,, der Großvater bei Leipzig, der Argroßvater bei tzohen-
friedberg focht, so ist das eine Pietät, vor der nur der stumpfsinnigste Nivel-
lierungssanatiker keinen Respekt hat. Es gibt Truppenteile, namentlich
bei der Kavallerie, bei denen sich diese Äberlieferung auf die Anter-
offiziere und Mannschaften ausdehnt, wo das Regiment gewissermaßen
den Heerbann seines Kreises im altdeutschen Sinne bildet, bei dem Bauer
und Ldelmann von Generation zu Generation ihrer Wehrpflicht genügen.
Das ist echte, große Tradition, die man hüten, nicht gewaltsam durch-
brechen soll. Daß die meisten der Offiziersfamilien, die solche Beziehungen
zu den Regimentern haben, adelig sind, hängt mit der Rolle zusammen,
die der Adel in der deutschen Kriegsgeschichte nun einmal gespielt hat,
und nimmt der Äberlieferung in den Augen vernünftiger Menschen nichts
von ihrem Werte. Lin solcher vernünftiger Mensch war der bürgerliche
Offizier aus einem vornehmen Linien-Infanterieregiment, der mir einmal
sagte: „Wir haben ja gar nichts dagegen, daß den Traditionen der Kleists,
der Schwerins und wie sie alle heißen die Lhre erwiesen wird, die ihnen
gebührt. Aber auch mein Vater und Großvater waren preußische Offiziere,
und wenn ich nun sehe, daß der Sohn eines Ministers oder Kommerzien--
rats, der gar keine Beziehungen zur Armee hat, bloß deshalb mit offenen
Armen in die Garde aufgenommen wird, weil er seit Kaisers Geburtstag
von Schulze heißt, während ich nicht gut genug sein soll — das empört
mich." Diese Auffassung sollten die maßgeblichen Stellen sich zu eigen
machen. Aber es ist noch nicht gar lange her — etwa ein Dutzend
Iahre — daß der Sohn eines bürgerlichen preußischen Obersten, der

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