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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: Freideutsche Gesinnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0334

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noch bei Trägheit und Luxus in innerer Unfreiheit lebt, und wird bei
den Alteren etwaige Vorurteile gegen uns selbst zerstreuen. Deshalb
bitten wir, daß man uns gewähren lasse.

G

Da und dort sind übers Meißner-Fest so zutressende Darstellungen
verbreitet worden, wie von Kotzde und Scholz über die Lehrerausschüsse
oder vom Buchhändler-Börsenverein über den Dürerbund. Aber der-
gleichen geht nur s o lange an, bis man sich die Sache mal selber an-
sieht, und wer mit noch so viel Zweiseln und Vorurteilen aus den
Meißner kam, wer sah und hörte, der ward Freund. Gerade von
streng konservativen Männern ist gehässigen Zeitungsartikeln der Rechten
mit vollem Ernst widersprochen worden. Gegen die Flamme, die dort
zum ersten Male als Freudenseuer aufloderte, kommen keine Blend-
laternen auf.

Die freideutsche Bewegung ist geworden. Sie ist nichts anderes
als die große „schwarz-rot-goldene" Bewegung, in welcher auch der
Kunstwart wirkt, von der Iugend aufgenommen und ihr angepaßt.
Dem Was nach eine Bewegung in so viel Richtungen, wie es Menschen-
Persönlichkeiten gibt, dem Wie nach in einem einzigen Willen: daß
das Sein sich gemäß den Sachsorderungen gestalte, nicht nach irgend-
welchen Interessen außerhalb der Sache. Wir brauchen Menschen von
höherem Wahrheitsbedürsnis und festerem Verantwortlichkeitsgesühl, und
der Gedanke ist richtig, daß beides nicht aufsuggeriert oder gar anbe-
fohlen, daß es in eigenem Suchen, auch Irren, und eigenem Wollen
und Finden entwickelt werden muß. Ferner: Wir brauchen ein Ge-
schlecht, das naturhafter als die Menge von heute aus den Quellen
der Krast, der Freude zu trinken weiß. Brauchen ein Geschlecht, das
durch seine Einsachheit unabhängiger vom Gelde und all seinen Ver-
suchungen wird. Ferner: wir brauchen eine Iugend, die sich weder be-
schwatzen lassen noch die selber schwatzen will. Hier ist eine, die sich den
Parteisums bis jetzt noch vom Leibe HLlt, aber osfene Augen und Ohren
hat, um von Freund und Feind zu lernen. Das ist der Stoss, aus dem
eine überzeugte und tatfreudige Mannheit und Weibheit werden kann.

T

Die freideutsche Iugendbewegung ist keine „Konkurrenz" zu irgend-
einer andern Iugend- oder gar Iugendpslegebewegung. Ihre Seele ist
eine Gesinnung, die kann sich mit allen andern sreundschastlich ver-
binden oder friedlich-schiedlich auseinandersetzen. Das will und das
muß sie. Die freideutsche Iugendbewegung hat drei Feinde und drei
Gesahren. Zwei draußen: den deutschen Philister und die, welche sie
schon „festlegen" wollen, einen drinnen: den eignen Hochmut. Die
draußen möchte ich von Herzen bitten: helft diesen Iungen und Mädeln
gegenüber weder irgendwelchen Parteileuten noch gar den Philistern zum
Sieg, den Menschen heißt das, deren Entwicklung schon stillsteht, deren
Geist also Neuartiges nicht mehr verarbeiten kann. Denen „drinnen"
aber, den jungen Menschen selber, möchte ich sagen: Ihr habt mir aus

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