Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0277

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ViolLne!

Ich erzählte meiner Mutter von Euch, wie wird sie glücklich sein, denkt
doch, wenn sie Luch sieht.

Es ist hart, aus dem Elternhause zu scheiden. Aber wo Ihr sein werdet,
habt Ihr ein sestes Dach über Euch, und niemand soll Euch nahetreten.

Ihr braucht nicht um Eure Liebe, liebste Violäne, nicht um Eure Un-
schuld fürchten.

Die Mutter: Das sind herzliche Worte.

Und dennoch ist etwas in ihnen, du wirst mir gleich sagen, mein Kind,
was es ist,

Irgend was Sonderbares, und was mir gar nicht gefällt.

Mara: Ich, Mutter, finde nichts Sonderbares daran!

Die Mutter: Violäne! wenn ich dir vorhin weh tat, mein Kind,

Vergiß, was ich gesagt habe.

Violäne: Ihr habt mir, Mntter, nicht weh getan.

Die Mutter: So komm in meine Arme.

(Sie öffnet die Arme)

Violäne: Nein, Mutter.

Die Mntter: Wie? was?

Violäne: Nein.

Mara: Violäne, wie schlecht von dir! hast du Angst vor unsrer Be-
rührung? warum behandelst du uns, als wären wir aussätzig?

Violäne: Ich tat ein Gelübde.

Mara: Was für ein Gelübde?

Violäne: Daß mich niemand anrühren dürfe.

Mara: Bis zu deiner Rückkehr?

(Schweigen. Sie senkt das tzaupt.)

Iakobäus: Genug der Fragen. Ihr merkt, daß Ihr sie quält.

Die Mutter: Laßt uns einen Augenblick allein.

(Sie entfernen sich)

Leb wohl, Violäne!

Du wirst mir nichts vortäuschen, mein Kind, der Mutter, die dich gebar,
wirst du nichts vortäuschen.

Was ich dir mitgeteilt habe, trifst hart, aber sieh mich an, ich leide viel
Schmerz und bin alt.

Du, du bist jung und wirst vergessen.

Mein Mann ist sort, und da ist mein Kind und wendet sich ab von mir.

Der eigne Schmerz bedeutet nichts, aber der Schmerz, den man den
andern zufügt,

Verbittert einem das Brot.

Denk daran, mein Opferlamm, und sage dir: so hab ich niemand
Schmerz bereitet.

Ich riet dir, was ich fürs bsste hielt, trag mir's nicht nach, Violäne!
rette deine Schwester, soll man sie denn verkommen lassen?

Mit dir ist der liebe Gott und wird es dir lohnen.

Das ist alles. Du wirst mein altes Gesicht nicht wiedersehn. Gott steh
dir bei!

Nnd du willst mich nicht umarmen, aber wenigstens darf ich dich segnen,
meine gute, gute Violäne!

Violäne: Ia, Mutter! ja, Mutter!

(Sie kniet nieder, und die Mutter schlägt das Kreuzeszeichen über sie.)

220
 
Annotationen