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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0279

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ringen der Franzosen. Trotzdem
haben deren winzige Gaben mehr
Lindruck und Freude gemacht. Wo-
her kam das? Das entsetzliche
Prahlen mit der Höhe der deutschen
Gaben war es noch nicht; das setzte
ja erst später ein und zwar als Ant-
wort auf den italienischen „Un--
dank". Nein, mag auch anderes
mitgewirkt haben, zu einem großen
Teil war dieser Undank die gesühl-
mäßig echte Rückäußerung auf die
Tatsache, daß über die Alpen aus
Deutschland nicht nur eine schwere
Menge Geld, sondern leider eine
noch schwerere Menge recht wenig
taktvoller Belehrungen gekommen
war, die von der italienischen Un-
fähigkeit und der deutschen Tüchtig-
keit und Ordnung handelten. Zu-
gegeben, daß die italienische Ver-
waltung, zumal im Süden, nicht
entfernt so sicher arbeitet als die
deutsche. Aber vielleicht war es
dennoch kein guter Takt, der darauf
verfiel, dieses entsetzliche Nnglück
möchte eine gute Gelegenheit sein, um
die eigene Vortresflichkeit zu dozieren.

Nun haben wir die Iahrhundert-
feier, — das Andenken einer Zeit,
als das Wort klein wurde, damit
die Tat wachsen könne. Wäre es
nicht die beste Iahrhundertfeier,
wenn wir wieder zur Wortkarg-
heit zurückkehrten? und die großen
Worte und Reden denen überließen,
die nichts Besseres haben?

Stolterfoth

Herren und Frauen

an hat sich darüber gewundert,
daß ich an verschiedenen Stellen
von „Herren und Frauen^ spreche,
es heiße doch: „Männer und
Frauen", aber „Herren und Damen".
Ia, warum „heißt es« eigentlich so?
„Die Frau" entspricht „dem Herrn",
„die Frau" ist ein höher bewertendes
Wort ganz entsprechend dem Worte
„der Herr", während das Wort „das
Weib" wie das Wort „der Mann"

den weiblichen und den männlichen
(Lrwachsenen nur bezeichnet, aber
überhaupt nicht bewertet. Wo Hös-
lichkeit am Platze, gehört sich demnach
als Gegenstück zum „Herrn" in deut-
scher Sprache „die Frau". Ist's
anders, so wollen wir doch künstig so
gut wie von „Damen" auch von
„Sieuren" sprechen. Also: Mir
scheint im Deutschen das Wort
„Damen^ eine stillose altmodische
Albernheit aus der Französelzeit, die
wir uns nachgerade abgewöhnen
könnten. A

Zur Pflege der Mundarten

ie wirklichen Mundarten, die
nicht bloß Färbungen der Aus-
sprache des Hochdeutschen sind,
rücken allmählich mit den Urwäl-
dern, Raubvögeln und Llchen in
die Reihe der „Naturdenkmäler".
Man muß von den Städten her
schon beginnen, sie zu „pflegen" und
zu „schützen", und die Wissenschaft
sucht das Vorhandene möglichst voll-
ständig in den Museen: Gramma-
"tiken und Wörterbüchern, zu konser-
vieren. Trotzdem blüht noch immer
eine ziemlich umsangreiche mund-
artliche Dichtung — ist das wirk-
lich nur so aufzusassen, wie wenn
mitten aus gelbem Herbstlaub ein
Blütenzweig hervorschaut? Keines-
falls haben wir einen ganz natür-
lichen Zustand. Sieht man genauer
zu, so findet man in dieser Dichtung
oft genug das Gewollte, Absicht-
liche, sie wird ost genug geschasfen
von dem Individuum, das sich gegen
das Schicksal seiner Volksschicht aus-
lehnt, und dann zeigt sich, wie wenig
ein Volksdichter „aus Ligenem" ver-
mag. Lrst was irgendwie aus den
Tiefen des Volkstums gehoben wird,
bekommt einen volleren Klang. Der
Dilettant dichtet ohne die Resonanz
des Volkes (im doppelten Sinne:
in ihm und in der Wirkung), der
echte Dichter ist, so naiv er auch
verstandes mäßig sein mag,

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