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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1913)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Vom Deutschtum in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0603

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Gerneindeautonoinie gewährt, für dieses Wachstuin ihrer Minderheiten
zu nützen. Aber sie haben noch nirgend erwiesen, daß sie selbst völlig
aus Eignem aufbauen und verwalten können. Wo immer sie siegen,
kolonisieren sie nicht eigentlich, sondern erben; und wo immer sie gesiegt
haben, versagen sie als Organisatoren nach einiger Zeit. Bis jetzt ist
das Bild, das die slawische Kulturarbeit zeigt, durchaus dies: sie sind
tüchtig in der Opposition und im Kampf um bereits Geschaffenes. Damit
soll nicht behauptet werden, daß es nicht später einmal anders werden
könne; wenige Völker arbeiten vielleicht gegenwärtig so eiservoll an ihrer
Selbsterziehung wie die Slawen, im besonderen die Tschechen: die letzten
gerade aus einem deutlichen Gefühl ihrer Mängel heraus. Aber einst--
weilen haben sie noch nirgend erwiesen, daß sie politische Krast im höchsten
Sinne, gemeinschaftsbildende und -erhaltende Fähigkeiten in großem Stile,
daß sie eigentliche Kolonisationskraft haben. Iene Kraft, die gerade das
deutsche Volk groß gemacht hat und die auch sein bestes Besitztum bleiben
muß, wenn es nicht zurückgehen will.

Wer diese Beobachtungen am österreichischen Slawentum einmal ge--
macht hat, der wird das österreichische Staatswesen und die Lage der
Deutschen in ihm besser zu verstehen beginnen. Im Reiche kann man oft
einen sehr „naheliegenden" Vergleich hören: den mit der Schweiz, „in
der doch auch verschiedene Völker zusammenleben". Wer mir bis hierher
gefolgt ist, der sieht, wie oberflächlich solcher Vergleich ist. In der Schweiz
haben sich Völker aus gleicher Lntwicklungsstuse nach jahrhundertelanger
Vorübung zur Selbstverwaltung, aus freiem staatsbürgerlichen Willen
ebenso wie aus allgemein politischen Notwendigkeiten gleichberechtigt zu--
sammengesunden; Osterreich aber vereinigt mit den Deutschen Völker, die
in einer noch lange nicht abgeschlossenen Entwicklung begriffen und aus
Lignem noch nicht sähig sind, sich selbst zu verwalten, die in einer ungeheuren
Selbsttäuschung über ihre gegenwärtigen Möglichkeiten befangen sind, alle, bis
zu Natiönchen von einer halben Million hinab, voll derselben Ansprüche
aus Selbstverwaltung. Dabei ist das deutsche Volk zwischen ihnen allen das
einzige, das für den Staat als Ganzes noch immer sich mit--
verantwortlich fühlt. Alle andern Völker sind von einem in sich
selbst widerspruchsvollen Streben nach Autonomie oder gar Herrschast erfüllt,
das den klarer denkenden Führern selbst als verderblich utopisch erscheint
und das sich in dem Augenblicke von selbst widerlegen würde, da der
Staat und die zentralistisch gesinnten Kreise des Deutschtums ihm nicht
mehr Widerstand leisteten.

Man darf sich nun beileibe nicht mit dem Gedanken beruhigen (wie
weite reichsdeutsche Kreise tun), daß jenes slawische Streben doch zu
nichts Greifbarem führen, daß es sich im entscheidenden Augenblick doch
selbst widerlegen müsse; daß es einmal eingesehen werden müsse:
mit den Slawen gegen die Deutschen kann Ssterreich nicht regiert werden.
An alle diese politischen Erwägungen kehrt sich die Entwicklung nicht;
jenes slawische Streben mag tausendmal unfähig sein, staatlich aufzu-
bauen: wenn es nicht durch stärkere Kräfte in fruchtbarere Bahnen
gelenkt wird, so wird es doch gewiß fähig sein, zu zerstören. Der
Staat wird ganz sicher nicht aus die Dauer den zentrisugalen Kräften ge-
wachsen sein; jede neue Reichsratssitzung kostet ihn ein neues Stück seiner
Oberhoheit, das Parlament selbst, dem all diese unerhörten Opfer gebracht
worden sind, gilt sogar den Berusspolitikern nichts mehr, der AbsolutisMus

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