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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 4 (Januarheft 1924)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0114
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Dem liebevoll Begrüßenden,

Gereifte stets Verehrenden
Erreift gelinde viererlei:

Der Leib, das Leben, Wohlsein, Kraft.

Das Gute achte nicht gering:

»Darüber bin ich längst hinaus« —

Ein Tropfen nach dem anderen
Füllt endlich doch deu Wasserkrug,

Voll wird des Weisen Sinn und Herz,
Allmählich sammelnd Gutes an.

Ein jedes Wesen scheuet Qual,

Ein jedes Wesen flieht den Tod:
Erkenn' dich selbst in jedem Sein,

Und quäle nicht und töte nicht.

Das eigne Selbst tut Sündiges,

Das eigne Selbst ist bösgesinnt:

Das eigne Selbst flieht Sündiges,

Das eigne Selbst ist reingesinnt,-
Selbst ist man böse oder rein:

Kein andrer kann Erlöser sein.

Dem Lebenstrieb entsprießet Gram,
Dem Lebenstrieb entsprießet Furcht:
Wer losgelöst vom Lebenstrieb,

Hat keinen Gram und keine Furcht.

Durch Sanstmut triff den Zornigen,
Den Bösen durch die gute Tat,
Schenkend besieg' den Geizigen,

Den Lügner durch das wahre Wort.

Nicht weil man große Reden hält
Ist man ein Wahrheitkundiger;

Wenn einer wenig nur gelernt
Und durch die Tat der Wahrheit lebt:
Der ist ein Wahrheitkundiger:

Der Wahrheit bis zum Tode treu.

Gleichwie durch scharfes Rispengras
Die blöde Hand zerschnitten wird,

So zerrt zum Höllenweg hinab
Mißleitetes Asketentum.

Leb' im Verein mit Lieben nicht
Gleichwie auch nicht mit Unlieben:
Getrennt von Lieben sein ist Leid,

Leid ist Verein mit Unlieben.

Daher schließ' dich an Liebes nicht,
Geliebtes lassen ist so schlimml
Kein Daseinsband verstricket den,

Dem nichts mehr lieb noch unlieb ist.
 
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