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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 5 (Februarheft 1924)
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Geramb, Viktor von: Deutsches Bauerntum
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0168
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stäblich sah — eineir weißhaarigen Bauern auf der Treppe der Mariazeller
Kirche sich niederwerfen und die Stufen küssen sieht. Das ist eben ein
Glaube, der wirklich noch Glaube ist, ein festes, tatsächliches und kritikloses
Glauben an die übersinnlichen Dinge. Ein Glauben, das zugleich ein
wirkliches Erleben ist, das durch keine Spur von Rationalismus und Mecha-
nisierung angekränkelt erschsint. — Ein Glaube, wie der Christkindlglaube
eines kleinen Menschenkindes, das das Christkind nicht nur glaubt, sondern
auch erlebt!

Und wenn wir auch diesen wichtigen Grundzug ins Seelenbild des
Bauerntums einstellen, dann dürften wir annähernd richtig sehen.

Dann ergibt sich eine Seelenstruktur, die neben der anderer Stände,
namentlich aber neben der großstädtischen Seele als jugendlich, ja als kindlich
erscheint. Das Hauptergebnis, zu dem l'Houets Antersuchung führt, deckt
sich vollkommen mit dieser Auffassung. Auch er sieht im Bauerntum, ange-
fangen vom bäuerlichen Antlitz, auch er sieht in der rücksichtslosen, oft rohen
Kraft, Ruhe, Geradheit und Anpersönlichkeit, vermischt mit der stark be-
tonten Abersinnlichkeit, eine »jünger gebliebene, seelische Entwicklungsstufe
unseres Volkstums" ... ViktorGeramb

Lose BläLter

GedichLe des Horaz

An eine Ungetreue
Welch ein schlanker Gesell ist es, o Pyrrha, der
Hin auf Rofen gestreckt, duftenden Oles voll,

Dich in traulicher Grotte
Küßt? Wem knüpfst du so reizend schlicht

Dein goldlockiges Haar? Ach, wie so manches Mal
Wird er weinen, daß sich Götter und Treu gewandt,

Wird die See, die von schwarzem
Sturm empörte, befremdet schaun,

Der jetzt gläubigen Sinns schwelget in deiner Gunst,

Der dich immer so treu, immer so hold dich wähnt,

Nicht den wechselnden Wind ahnt.

Wehe dem, welcher ungewarnt

Deinem Zauber verfiel. Hier an der Wand der Spruch,

Wo geweiht dem Neptun hängt das durchnäßte Kleid,

Dankt dem mächtigen Gotte,

Der den Wellen mich noch entriß.

Der Wolf

Wer da lebt unsträflich und frei von Schuld ist,

Der bedarf nicht maurischen Speers und Bogens,

Auch des Köchers nicht, der von giftigen Pfeilen
Strotzet, o Fuscus,

* Entnommen der Laschenausgabe von Horaz' Werken. Siehe den Aufsatz
darüber in diesem Heft.
 
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