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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Winter, Gotthard: Meissner Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0938
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MEISSNER PORZELLAN

Schreiber der Meißner Manufaktur Professor
Berling (Dresden) stellt ihrem gegenwärtigen
Streben folgendes rühmliches Zeugnis aus:

„Ich glaube hier hervorheben zu dürfen,
daß die Meißner Manufaktur in den letzten
Jahren recht viel Gutes geschaffen hat. Es ist
ihr gelungen, sich auf technischem Gebiete in
vollem Maße auf der Höhe zu halten und eine
stattliche Reihe künstlerischer Kräfte in ihren Dienst
zu stellen. Künstler, die im neuzeitlichen Sinne
arbeiten, die wieder bestrebt sind, aus den vor-
trefflichen Eigenschaften des Materials heraus zu
schaffen und es bei seiner Bemalung nicht zu ver-
decken, sondern nur seine Wirkung zu erhöhen.“
*

Neue Wege zu wandeln wird für die Künstler
der Meißner Manufaktur, die in erster Linie eine
Finanzanstalt ist, von der man Überschüsse ver-
langt und die unter ihrer eignen großen Über-
lieferung leidet, gewiß besonders schwierig sein.
Was in keinem Zusammenhänge mit dieser
steht, soll kein Meißner Porzellan sein, und
Arbeiten, die nicht oder schwer verkäuflich sind,
haben ihre Bestimmung verfehlt! Es ist un-
leugbar, daß die Meißner Porzellankunst unter
einem Druck von oben gestanden hat, von dem
sie sich erst jetzt ganz frei zu machen beginnt.
Zeugnisse eines entschiedenen Neu-Meißner
Stils veröffentlichen wir hier zum ersten Male.
Selbst die Wiedergabe nur in Schwarz und Weiß
läßt die stärkere und reichere Farbigkeit dieser
Porzellane erkennen. Die Palette der Scharf-
feuerfarben ist um zwei Grundtöne bereichert
worden und bringt jetzt neben dem Kobaltblau
ein prachtvolles Kupferrot und ein tiefes sattes
Schwarz. Diese Hauptfarben werden unge-
brochen verwendet und mit ebenfalls unge-
brochenen Emailfarben zu herrlichen Akkorden
vereinigt. Dieser größere und wirksamere
Farbenreichtum kommt nicht allein der Flächen-
malerei und Dekoration von Gefäßen zugute,
sondern auch den Bildwerken. Die allerjüngste
Meißner Bildnerei emanzipiert sich von der
malerischen und naturalistischen Plastik früherer
Zeiten, sie stilisiert im Geiste des zerbrech-
lichen Werkstoffes, indem sie glattere, ge-
schlossenere Umrisse schafft, und zu Gunsten
der farbigen Behandlung, indem sie ihr größere
Flächen bietet. Die beiden Reifrockdamen
z. B. von Börner und sein Bajazzo auf dem
Widder sind Bildwerke, deren Form und
Farbe das Eigenwertigste und Rassigste dar-
stellen, was die moderne deutsche Porzellan-
kunst hervorgebracht hat, denn vor Wackerles
Arbeiten haben sie die Korrektheit und den
feineren Geschmack voraus. Die von Eichler
modellierte Frauengestalt, die Rudolf Hentschel
brillant bemalt hat, bezeugt die Abkehr von

dem Bestreben, die Dame von heute monumen-
tal zu machen, wie dies das 18. Jahrhundert
mit seiner Zeitgenossin so glücklich durchge-
führt hat. Ihm kamen aber nicht nur die Mode
der Zeit, sondern auch die Damen selbst zur
Hilfe, denn offenbar waren damals die Schön-
heiten des üppigen sächsischen Hofes in Person
die Modelle derkönigl. Hofporzellanfabrik. Heute

ARAGRUPPE. PORZELLANPLASTIK BILDH. WALTHER
Ausführung: Königliche Porzellanmanufaktur Meißen

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