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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Winter, Gotthard: Meissner Porzellan
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Jolowicz, Julie: Die Farbe des Lebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0939

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MEISSNER PORZELLAN

findet man in Dresden die Vorbilder nicht mehr,
die für Kunstwerke genügten, welche auf den
Weltmarkt kommen sollen. Die freie künstlerische
Phantasie wird also Besseres und Schöneres
schaffen, als die Anlehnung an das Modell und
die Abhängigkeit von der unbeständigen Mode.
Die in dem neuen Raliphot-Verfahren der Firma
Krey und Sommerlad-Niedersedlitz hergestellte
farbige Abbildung gibt eine Vase des Malers Voigt
wieder, die für die Neu-Meißner Dekorations-
weise bezeichnend ist. Sie vereinigt Scharffeuer-
und Emailfarben und erzielt Wirkungen, die dem
Kupferemail und dem Choisonne nahekommen.
Überhaupt muß warm anerkannt werden, daß auch
auf diesem Gebiete keramische Technik und
malerische Kunstfertigkeit Hand in Hand neue
Bahnen wandeln und daß Chemie und Malerei
in diesen Erzeugnissen auf der Höhe stehen.

VASE. KUPFERROTMALEREI UNTER GLASUR

MALER HENTSCHEL

Ausführung: Königliche Porzellanmanufaktur Meißen

806

DIE FARBE DES LEBENS. VON
JULIE JOLOWICZ.

Bevor allnächtlich die Erde den Blicken im
Dunkel entgleitet, will von der scheidenden
Sonnenkugel noch ein leuchtender, purpurner Glut-
schimmer am Horizont herüber grüßen, als ein
Abschied von Tageslicht und Wärme, ein letzter,
lebendiger Hauch schaffender Kraft. Und es
ist fast seltsam, wie soviel Beweglichkeit und
Glanz in einer Farbe eingeschlossen sein kann,
daß sie gleichsam zur Essenz des Lebens wird.
Denn rot loht auch die Flamme in rasender
Daseinslust, rot strömt das Blut in den Venen
aller Atmenden, ein roter Faden von Begehrlich-
keit und Tatendrang, der sich durch Vergangen-
heit und Gegenwart zieht. Kaum ist festzustellen,
ob sich da aus Erfahrung oder Empfindung der
Begriff geformt hat, mit dem man schon die
Wortbildung umgibt, ein Gefühl von Tiefe, Wärme
und Fülle, das sie unabweislich auslöst. Viel-
leicht hat man das schon früher verstanden, denn
im schwarzroten Kleide des mittelalterlichen
Henkers ließ man Leben und Tod sich küssen,
wie sein Beil als Grenzwächter stand, wo das
Sein dem Wesenlosen sich vermählte.

Freilich fand das Purpurkleid sonst stolzere
Herren. Zuerst wohl wegen seiner Kostbarkeit,
wegen des Materials und der kunstvollen Han-
tierung, die das Färben erheischte, wurde es im
alten Griechenland und in Rom das Gewand
der vornehmen Reichen, dann wegen der un-
gemein dekorativen Wirkung sogar beim Pomp
der Fürsten ein geschätztes Requisit. So war
es selbstverständlich, daß die farbenfrohen und
koloristisch sicheren Menschen der Renaissance
es wieder zu Ruf und Ehren brachten und daß
man Purpur, Karmin, Braun oder Gelbrot in
der ganzen Stufenleiter der Abtönungen in Ge-
weben und in der Malerei recht häufig fand.
Was für einen breiten Raum das Rot in der
Kleidung einnahm, zeigt ein Verzeichnis der
Hochzeitsgeschenke des Marco Florenti an seine
Braut, das Jacob Burkhardt in seinem Buche
über die Kultur der Renaissance in Italien ver-
öffentlicht. Darin liest man die Beschreibung
von vier Gewändern, einem weißen und einem
blauen, von den beiden anderen ist eins aus
rotem Atlas und Sammetbrokat mit weißem Pelz
garniert, dann ein Oberkleid aus denselben Stoffen
mit Gold und Perlen besetzt, außerdem weist
die Liste noch einen roten, golddurchwirkten
Gürtel mit vergoldeter Schnalle auf.

Von den Meistern, deren sieghafte Palette im
Quattrocento und Cinquecento geschätzt oder
verehrt wurde, verschloß sich wohl keiner den
Reizen, die ihnen die Farbe des Lebens mit
ihrer eindringlichen Leuchtkraft und ihrer über-
 
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