Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0742
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Giesecke, Albert: Dilettantismus und Volkskunst
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APOSTELSTATUEN IN DER KAISER WILHELM-OEDÄCHTNISKIRCHE ZU CHARLOTTENBURQ GERHARD JANENSCH
ILETTANTISMUS UND VOLKS»
KUNST.
VON DR. ALBERT GIESECKE.
Hans Thoma hat kürzlich, wie schon öfter,
in der ersten badischen Kammer, deren Mitglied
er ist, das Wort ergriffen über Mittel und Wege,
wie man das Volk möglichst nahe an gute
Kunst heranführen könne, und er gab die An-
regung, man solle an die Wände der Schulen
„von Hand gefertigte Originalarbeiten“ bringen.
Diese würden mehr sagen als die mechanischen
Reproduktionen nach noch so berühmten Ge-
mälden. Ein einfaches Malwerk, es brauche
nicht hohen Ranges zu sein, könne den Schülern
über das Hervorbringen eines Werkes doch
etwas sagen, was ihnen die mechanische Re-
produktion nie sage. Sie würden die Möglich-
keit, selber etwas hervorzubringen, vor sich
sehen, und es könnte manche Anregung daraus
hervorgehen. Und zwar denkt Thoma sich das
so, daß jeder Kunstschüler, der ein Staats-
stipendium erhält, ein Werk seiner Hand in
das Rathaus oder die Kirche oder die Schule
seiner Heimat stiften solle, und das könne eine
Skizze, ein Stilleben, ein Kopf oder ein Tier-
bild sein. Thoma glaubt, auf solche Weise
„die verlorene Bauernkunst, deren Reste
man in Bayern und Baden noch mühsam zu-
sammensucht auf alten Schränken“, wieder-
erwecken zu können.
Viele mögen diese Gedanken überzeugen,
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ILETTANTISMUS UND VOLKS»
KUNST.
VON DR. ALBERT GIESECKE.
Hans Thoma hat kürzlich, wie schon öfter,
in der ersten badischen Kammer, deren Mitglied
er ist, das Wort ergriffen über Mittel und Wege,
wie man das Volk möglichst nahe an gute
Kunst heranführen könne, und er gab die An-
regung, man solle an die Wände der Schulen
„von Hand gefertigte Originalarbeiten“ bringen.
Diese würden mehr sagen als die mechanischen
Reproduktionen nach noch so berühmten Ge-
mälden. Ein einfaches Malwerk, es brauche
nicht hohen Ranges zu sein, könne den Schülern
über das Hervorbringen eines Werkes doch
etwas sagen, was ihnen die mechanische Re-
produktion nie sage. Sie würden die Möglich-
keit, selber etwas hervorzubringen, vor sich
sehen, und es könnte manche Anregung daraus
hervorgehen. Und zwar denkt Thoma sich das
so, daß jeder Kunstschüler, der ein Staats-
stipendium erhält, ein Werk seiner Hand in
das Rathaus oder die Kirche oder die Schule
seiner Heimat stiften solle, und das könne eine
Skizze, ein Stilleben, ein Kopf oder ein Tier-
bild sein. Thoma glaubt, auf solche Weise
„die verlorene Bauernkunst, deren Reste
man in Bayern und Baden noch mühsam zu-
sammensucht auf alten Schränken“, wieder-
erwecken zu können.
Viele mögen diese Gedanken überzeugen,
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